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Zu wenig christlich?

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In den letzten Tagen bekomme ich aus gewissen katholischen Kreisen Warnungen, ja nicht für einen Beitritt zur EU zu stimmen. Nach einer Firmung hat mich ein Herr beschworen, als Bischof deutlich zu sagen, „daß Jesus Christus einen Beitritt sicher nicht wünsche”. Man argumentiert, in der EU herrsche kein christlicher Geist. Österreichs Bischöfe haben keine Wahlempfehlung abgegeben, aber auf die Verantwortung für einen gemeinsamen Bau des Hauses Europa aufmerksam gemacht. Das hätte genügen können. Einer solch absurden Antiwerbung unter dem Decknamen „christlich” muß nun aber doch entgegnet werden.

Die Zeiten, in denen weltliche Macht sich ganz der kirchlichen „Macht” unterstellen sollte, sind längst vorbei. Und wo in anderen Weltreligionen Ahnliches noch praktiziert wird, gibt es, auch von Christen, berechtigten Protest. Christen müssen zur Kenntnis nehmen, daß sie mit Andersdenkenden zusammenleben und damit auch die Spannung zwischen ihren Überzeugungen und davon abweichenden Gesetzen auszuhalten haben. Das heißt aber nicht, als Christ die Mitverantwortung für das Gemeinwohl aufzugeben. Die kann verschieden erfolgen.

Einmal durch Belebung der Wertediskussion. Christen werden ihre Werte aber nicht schon mit der Etikette „christlich” durchbringen, sondern nur, wenn deutlich wird, daß diese für den Menschen und sein Zusammenleben bedeutsam sind.

Dann haben die Katholiken ohnehin schon europaweit ein Netz verschiedener Bildungsinstitutionen: Religionsunterricht in staatlichen Schulen, katholische Privatschulen in vielen Ländern und katholische Erwachsenenbildung, die immer mehr Kooperation sucht. Die Bischofskonferenzen der EU-Länder haben sich wirkungsvoll zusammengeschlossen. Alles Instrumente, die zum geistigen Aufbau Europas zu erhalten und stärken sind. .

Ein EU-Beitritt hat viele Konsequenzen, die jeweils Fachleute zu bewerten haben. Christen aber müßten sorgen, daß dieses „Haus” nicht ohne sie gebaut wird. Das würde das christliche Erbe in der Heimat - oder was davon noch übrig ist - durch die nötige Auseinandersetzung nur neu beleben.

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