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Gleich ein paar Sprünge nach vorn
„Advent" heißt Warten auf „Ankunft". Wer lange schon darauf gewartet hat, von maßgeblichen Hirten der Kirche richtungweisende Worte zu hören über das, was verbindlich ist am katholischen Glauben und das im Lauf der Zeit Dazugewachsene, für den hat sich dieser Tage das Warten gelohnt.
Die Kardinäle Franz König und Joseph Ratzinger haben in der „Zeit" (siehe auch Seite 10) ein theologisches Streitgespräch auf hohem Niveau geführt, das Hansjakob Stehle mit verhaltener Souveränität ins richtige Fahrwasser steuerte. Und so kam Gültiges über das Verbindliche in unserem Glauben zutage, das auf den ersten Blick viel weniger ist, als was buchstabenversessene Fundamentalisten uns bisweilen vormachen möchten. Genau besehen, ist das, was bleibt, viel mehr: nämlich eine Einladung zum Nach- und Weiterdenken im Geist Gottes.
Man versteht noch besser, was in diesen großartigen zwei „Zeit"-Seiten vom 29. November anklingt, wenn man vorher das Herder-Büchlein von Jacob Kremer und Franz König „Jetzt die Wahrheit leben" gelesen hat. Darin wird von dem bekannten Wiener Bibelwissenschafter dargelegt, was „das Wort Gottes" in der Bibel ist: ein Sprechen von Menschen über Gott „vario modo historico", also von der jeweiligen Zeit und Kulturumgebung abhängig. Hat Gott von Abraham wirklich die Schlachtung seines eigenen Sohnes verlangt? Hat derselbe Gott seinen Sohn von Anbeginn dem Kreuzestod gewissermaßen zwangsweise zugedacht gehabt? Was heißt überhaupt „Sohn Gottes", richtig verstanden?
Kardinal König schildert in diesem Büchlein, das für jedermann verstehbar und erschwinglich ist, das Anliegen des Zweiten Vatikanischen Konzils: ein „Sprung nach vorn" („un balzo innanzi" sagte Johannes XXIII.) zu sein, um den Menschen von heute in unserer Sprache und in Bildern dieser Zeit das Wesentliche der Botschaft Christi nahezubringen.
In dem jüngsten „Zeit"-Gespräch geben zwei Kardinäle (nicht nur der eine) zu, wie weit die Kirche von der Erreichung dieses Ziels noch entfernt ist und wo es unter anderem hapert: zuviel vatikanische Reglementierungssucht, zuviel römische Schulmeisterei, zuviel Beharren auf Unwesentlichem, weltfremde Formulierungen (Stichwort Familienplanung: „Das Problem ist noch nicht in der richtigen Weise umschrieben; auch zum Weltbevölkerungsproblem ist vom kirchlichen Lehramt bisher, soweit ich sehe, noch nicht viel Hilfreiches gesagt worden": Ratzinger im O-Ton!).
Was Kardinal König an erfrischender Direktheit anschneidet, rührt ans Wesentliche der Kirche und ihrer heutigen Abwege. Zum Teil hat es vor wenigen Monaten ähnlich frisch von der Leber weg Bischof Reinhold Stecher gesagt. Die Art, wie Kardinal Ratzinger darauf reagiert, läßt große Hoffnung keimen. Dieser Adventbeginn hat gleich ein paar Sprünge nach vom gebracht.
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