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„Glücklich ist, wer vergißt“

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Gleich zum Start der Wiener Festwochen an der Wien ein „Unfall“ mit Strauß' „Fledermaus“: Glücklich ist, wer vergißt, was nicht mehr zu ändern ist... Denn zu retten ist wohl an diesem Sammelsurium der Regieplatitüden, schlechten Gags, falsch beisetzten Partien recht wenig. Zu billig gibt es diese Inszenierung Michael Kehlmanns, zu sehr daneben hat man mit einzelnen Sängern gegriffen. Und dennoch gibt es Positives zu vermerken: Zum Beispiel, daß der Dirigent Mstislav Rostropowitsch im Verein mit den Wiener Symphonikern im Orchestergraben ein Ereignis bescherte.

Rostropowitsch ist ein Künstler von sehr eigenwilliger Prägung. Vom Klischee abzurücken, ist sein erstes Anliegen,' Dingen auf den Grund 2ü gehen; sein zweites. Und so Staunt man immer wieder, was er aus Strauß' Partitur destilliert, die wir doch zu kennen glauben: Gewiß, manchmal nimmt dieser Strauß TschaikowskyJ'arben an, wird weich, samtig; dann kippt alles wieder ins Hektische um, donnert um so abrupter los. Jedenfalls entdeckt Rostropowitsch aber geradezu eine Dämonie, die hinter den wirbelnden und hämmernden Vierteln waltet, die den Walzertakt geradezu zum Strudel steigert, in den dieses spätbürgerliche Wien hineinwalzt.

Welche Möglichkeiten für einen Regisseur, dieses beklemmende De-maskierungsunternehmen zu inszenieren! Michael Kehlmann hat stattdessen sich fürs Theater der lauten Effekte entschieden. Outrage, Klamauk, laute, vulgäre Szenen haben Vorrang. Das Libretto, bereits zur Bearbeitung einer Bearbeitung (Otto Schenk und Peter Weiser) geworden, behandelt: er ganz so, als vertraute er dem Stück überhaupt nicht Und deshalb merkt man auch jedem Zoll dieser Inszenierung an, wie gekünstelt sie ist, wie durch billige Regieschnörkel ständig Betulichkeit, Ruimmel erzeugt werden soll. Das Ergebnis ist allerdings bloß Talmi.

Gottfried Neumann-Spallarts

Bühnenbild gibt sich im ersten Akt im Haus Eisensteins allzu kleinlich, im zweiten bei Orlofsky ohne Orga-nik, ohne Stil und Geschmack; im Gefängnishof und Gefängnisbüro ist wenigstens nichts schiefgegangen.

Probleme über Probleme sind zur Besetzung anzumerken: So, daß sich wohl beim Engagement dieser teilweise sogar vielversprechenden Namen niemand Gedanken gemacht hat, ob diese eine deckende, richtige Besetzung ergeben, ein „Fleder-maus“-Team. Elizabeth Harwood etwa ist keine Rosalinde. Da sie kaum deutsch spricht, muß sie als Engländerin RosaUnde agieren, schlürft einen Akt lang unter großem Geseufze Whisky, distoniert häufig, um im zweiten Akt dann als angebliche Ungarin unglaubwürdig zu sein. Reri Grist hat's da leichter: Mit der Partie der Adele und deren Kolora-

lenonno, der einen schmierentenor nimen möchte. Eine einzige Pleite! Thomas Tipton bleibt ein farbloser 3r. Falke. Blanche Aubry, ein paar nal ausgebuht, schnarrt den 3rlQfsky kaltschnäuzig. Nur Walde-

mar Kmentt als Eisenstein setzt seine Operettenerfahrung, seinen Riecher für die Effekte ein. Uber das Mittelmaß hinaus ragen allerdings nur zwei: Karl Dönch, der den Ge-fängnisdirektor Frank virtuos karikiert, und Attila Hörbiger: ein Frosch von rührender Komödiantik, von packendem Witz. Er hätte eine bessere Inszenierung verdient.

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