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Zu lange Nacht in Venedig

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Ein knappes Jahrzehnt nach dem „Zigeunerbaron“ wurde „Eine Nacht in Venedig“ in Berlin uraufgeführt. In Wien war man toleranter gegenüber den Textbüchern von Johann Strauß, die man als eine anmutige List begriff, Musik für die Bühne zu schreiben. Den Berlinern war die Geschichte von Zell und Genee einfach zu dumm (was sie übrigens nicht unbedingt ist), und als gegen Ende des Premierenabends die Stelle kam: „Bei Nacht sind die Katzen so grau, da singen sie zärtlich Miau“, da begann auch das Publikum zu miauen und zu krakeelen. — Heute heißen die umgedichteten „Verse“: „Ach wie so herrlich zu schauen sind alle die lieblichen Frauen“ — eine bombensichere Nummer, auch für den hölzernsten Tenor…

In der Volksoper wurde „Eine Nacht in Venedig“ in der schon sieben Jahre alten Inszenierung von Otto Fritz, mit Bühnenbildern von Walter Hoeßlin, Kostümen von Erni Kniepert und Tänzen von Dia Luca unter der musikalischen Leitung von Franz Bauer-Theussl neu einstudiert. Kulissen und Kostüme sind sehr bunt, jahrmarktsbunt, könnte man sagen: so etwa, wie man sich eine Wiener Operette in Istanbul vorstellt. Und wie im Vorderen Orient geht es auch auf der Bühne zu. Aber das macht nichts, denn die Langeweile wird auf diese Weise gründlich ausgetrieben.

Freilich auch durch die Musik, die eine der insipiriertesten und anmutigsten von Johann Strauß ist. Sie hat nichts von dem Maskenhaften, gleichmäßig Sentimentalen oder Brutalen der heutigen Unterhaltungsmusik. Man beginnt das zu verstehen und zu genießen … Zumal, wenn die Gesangspartien von so vorzüglichen und gutaussehenden Sängern wie Adele Leigh und Monique Lo- basa, Adolf Dallapozza und Peter Drahosch interpretiert werden. Guggi Löwinger schien etwas angestrengt und von besorgniserregender Routi- niertheit, Dallapozza singt die Partie des Herzogs großartig, beeinträchtigt diesen Eindruck aber durch ein allzu bescheidenes, fast kümmerliches Auftreten. Den Don Juan aus Urbino glaubt man ihm keinen Augenblick.

Adele Leigh ist auf dem Weg, die neue Wiener Operettendiva zu werden. Sie besitzt dazu alle Voraussetzungen. Auch das Neckische …

Nachdem wir vor kurzem das fast schon unheimliche präzise Funktionieren aller Schauspieler und Requisiten .in einer Strehler-Inszenierung im Theater an der Wien bewundert haben, beobachtete man hier — ebenfalls fasziniert —, was alles im Lauf eines langen Abends nicht klappte und sich gewissermaßen . selbständig machte“, angefangen von einem durch die Luft geworfen, aber nicht aufgefangenen Krauthappel, der gemütlich über die Bühne und von dort in den Orchestergraben rollte, bis zum Sturz einer Tänzerin in der vorletzten Szene. Man könnte spaltenlang ähnliche Details aufzählen … Vielleicht wird sich nach einigen Aufführungen größere Sicherheit einstellen. Vielleicht findet sich auch jemand, der die Krenek-Bearbeitung dieser Operette einmal anschaut und die allzu lange Nacht in Venedig um mindestens eine Viertelstunde verkürzt. (Wenn sich die verkleidete Herzogin ihrem abenteuernden Gemahl zu erkennen gibt, ist mit diesem Clou die Handlung zu Ende; was dann noch folgt, ist eine entbehrliche Coda und ein Nachspiel zur Coda.)

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