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Veit Relin inszeniert Wolf-Ferrari

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Ein ganz besonderer Fall, dieser Er-manno Wolf-Ferrari: geboren und gestorben in Venedig, hier aufgewachsen und später Lyceums-Direktor, Studium in München, Musiklehrer und Chordirektor in Mailand, aber auch Leiter einer Kompositionsklasse am Salzburger Mozarteum, ein echter Deutsch-Italiener oder italienischer Deutscher, nicht nur der Herkunft nach, auch in seiner Musik Diese Mischung empfand er nicht als Spannung oder gar Konflikt, er nahm sie als Selbstverständlichkeit, Darauf deutet auch seine fast pausenlose, aber stets kritisch kontrollierte Produktion. Ein erster Opernzyklus umfaßt die heiteren Werke „Die neugierigen Frauen“ (1903), „Die vier Grobiane“ (1906) und „Susannes Geheimnis“ (1909), denen erst zwischen 1931 und 1939 drei weitere Opern ähnlicher Art folgen.

Bedenkt man die Lebenszeit Wolf-Ferraris (1876-1948) und hört in seine Musik hinein, in frühe oder spätere Chorwerke, eine beliebige seiner vielen Opern, wird man erkennen, daß er von den musikalischen Strömungen, Entwicklungen und Moden völlig unberührt blieb. Von Anfang an stand ihm ein Vokabular zur Verfügung, dessen er sich jederzeit und auch bei der Gestaltung ernster Sujets bedienen konnte. Dieses Leichte und Spielerische hat man, wenn andere ähnlich zu schreiben versuchten, abschätzig als „Wolf-Ferrarismus“ bezeichnet und mit Recht kritisiert. Denn wie Wolf-Ferrari sein großes Talent nützte - das gab es nur einmal und war nur als Ausnahme statthaft. Wie bedeutend seine Begabung war, kann man daraus schließen, daß man - meines Wissens -ihn selbst nie des Epigonentums oder der Erneuerung von Klischees beschuldigt hat. Und er hat es verstanden, dem Publikum, Laien und Musikern vom Fach, fast fünfzig Jahre zu gefallen...

Das sah und hörte man auch in der Neuinszenierung der „Vier Grobiane“ der Volksoper nach den Akten und beim Schlußapplaus, obwohl die Re-

gie Veit Relins ziemlich outrierend war, man sich manche Rollen besser besetzt vorstellen könnte und aus dem Orchestergraben nicht nur reine Harmonien, sondern auch mancher falsche Ton herausklang. Franz Bauer-Theussl hatte Partitur und Orchester gut im Griff und erwies sich als durchaus kompetenter Interpret dieser Musik. Die „musikalische Komödie nach Carlo Goldoni“ in der deutschen Uber-tragung des Textes von Pizzolato durch Hermann Treibler hatte Peter Heyduck mit freundlich-hellen Bühnenbildern ausgestattet, in denen die von Maxi Tschunko geschmackvoll eingekleideten Figuren lebhaft agierten. Venedig um 1800 war gut reproduziert, nur was das Gerumpel im letzten Bild darstellen soll, war nicht ganz zu verstehen. Auch über die vier ausgestopften Hunde mag sich jeder andere Gedanken machen.

Vier Bässe an einem Abend - das gibt es nicht oft Die Volksoper hatte sie anzubieten: Ernst Gutstein (eher ein Bariton) als Antiquitätenhändler Lu-nardo, Robert Ganzer als Kaufmann Maurizio, Hans Kraemmer als Simon, Marinas Mann, sowie Arthur Korn als reicher Bürger Cancian: das ergab einen sonoren Hintergrund für die helleren Stimmen und Erscheinungen von Elisabeth Sobota, Mirjana Irosch, Sylvia Holzmayer, die mit der Routine der Operettendiva agierte, sowie Gabriele Juster als Magd Marinas. Das junge Paar, um das es geht, das von den vier Grobianen zur Ehe genötigt werden soll (obwohl ein solcher Zwang gar-nicht nötig ist, sie mögen sich schon lang!), wurde von Nobuko Nezu und John Dickte glaubwürdig dargestellt und gut gesungen.

Aber echter Schwung kam in das Ganze erst mit dem zehnstimmigen Ensemble, welches den zweiten Akt krönt. Fragt man sich, weshalb erst im letzten Büd alles so war, wie wir es in guter Erinnerung hatten, mag die Antwort lauten: Nicht weü das Werk Wolf-Ferraris, sondern weü wir selbst, das Publikum, älter geworden sind...

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