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Anders, aber nicht besser

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Allzu lange mußte man den „Vogelhändler“ auf dem Spielplan der Volksoper vermissen, und der Jubel, mit dem nun diese Ankündigung vom Publikum begrüßt wurde, ist verständlich. Um so saurer wird es dem kritischen Besucher, wenn er anmerken muß, daß er sich zwar über die Tatsache freut, daß es das Stück in der Volksoper wieder gibt, aber leider gar nicht darüber, in welcher Weise es dargeboten wird.

Ersten Unmut erregt schon die „textliche Einrichtung für die Volksoper“ von Fritz Eckhardt, beim „Vo- .gelhändler“ eįn wirklich müßiges Unterfangen, denn der ist eine der wenigen Wiener Operetten, die seit jeher ein gutes Buch gehabt haben. Wenn dann im Programmheft eigens darauf hingewiesen wird, daß man „den Singspielcharakter des Werkes betonen“ wolle, so erscheinen einem die leicht schmierigen Witzchen, die der Bearbeiter in den Text verpackt hat, und die der ja nach wie vor liebenswürdig-naiven Handlung so gar nicht zu Gesicht stehen, einfach abgeschmackt. Der k. k. Ministerialrat Dr. Zeller hätte an ihnen seine Freude gewiß nicht gehabt.

örtlich wurde die Handlung von der Rheinpfalz in ein bayrisch-österreichisches Niemandsland verlegt (was den aparten Gegensatz zwischen Pfälzern und Tirolern eliminiert), zeitlich vom Rokoko in die „Makartzeit“, in der sie in Musik gesetzt wurde, einzig um einen Vorwand zu haben, das Fest bei der Kurfürstin ä la Makart zu feiern, in aufwendigen, pompösen Kostümen, die weder zum Stück noch zu der Musik passen, sicher aber sehr viel Geld gekostet haben.

Auch sonst mußte sich die Handlung manche Vergewaltigung gefallen lassen; die Professoren wurden gestrichen, aus der komischen Alten eine komische Junge gemacht (der einzige Einfall, dem man Reize nicht absprechen kann) und so fort. Von der Regie Robert Herzls ist nicht mehr zu sagen, als daß sie über ein teilweise gefälliges und teilweise ungefälliges Arrangement nicht hin- auskam.

Was nun die Besetzung betrifft, die, kostümiert von Leo Bei, im Einheitsbühnenbild von Karl-Eugen Spurny agierte, das wie eine überdimensionale Vogel-Kraxen aussah (das Wort „Shakespeare-Bühne“ im Programmheft wollen wir lieber nicht gelesen haben), so konnte auch sie keine ungetrübten Freuden bereiten.

Erfreulich durchaus die Kurfürstin der Eva Serning, blendend in der Erscheinung und bei Stimme; sehr erfreulich ebenfalls die Adelaide der Helga Papouschek: die beiden Szenen mit Weps und Stanislaus waren die besten des Abends und atmeten echte Poesie. Recht gut, wenn auch mit etwas belegter Stimme der Sa- nislaus von Horst Hoffmann, glänzend der souverän die Bühne beherrschende Weps von Karl Dönch, köstlich die beiden Typen Schneck und Zwilling (Rudolf Wasserlof und Wolf gang Kandutsch). Bleibt das Liebespaar, das ein paarmal auseinander- und am Ende (natürlich doch zusammenkommt: der Adam aus Tirol und seine Briefchristel, dargestellt von Adolf Dallapozza und Julia Migenes.

Dallapozza ist natürlich vom Typ her ideal: jung, fesch, natürlich, ein Adam wie aus dem Bilderbuch. Daß er seit einiger Zeit versucht, seine Stimme künstlich zu vergrößern und „aufzudrehen“, bekommt ihm allerdings gar nicht, was besonders im Auftrittslied zu merken war, mit dem er einige Mühe hatte. Die „Rosen in Tirol“ gelangen dann sehr schön, auch das „Ahnl“, das nur vom Pult her viel zu opemhaft zelebriert wurde. Warum allerdings der gebürtige Südtiroler Dallapozza den Adam im breitesten Wienerisch, mit höchstens ein paar aufgesetzten „oa“ sprechen muß, bleibt unverständlich.

Womit wir beim Unverständlichsten dieser ganzen Inszenierung angelangt wären, bei der Briefchristi der Julia Migenes. Man sollte einmal versuchen, einem Broadway- Producer etwa die Papouschek oder die Löwinger als Maria in der „West Side Story“ anzudrehen — eine Ab surdität! Und ebenso absurd wirkt im „Vogelhändler“ eine Christi mit Streisand-Physiognomie und einer Opemstimme, die den angestrebten „Singspielton“ wirklich in keiner Weise trifft.

Musikalisch wurde die Vorstellung von Walter Goldschmidt betreut, der seinem Ruf, ein glänzender Operettenkapellmeister zu sein, nicht ganz gerecht wurde. Da geriet vieles zu grcA und vor allem viel zu laut. — Dem Publikum hat’s trotzdem gefallen. Es liebt halt seinen „Vogelhändler“. Und das mit Recht.

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