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Grottenbahn
Die Deutschen sind vielfa- che Weltmeister. In manchen Disziplinen haben sie ernstzu- nehmende Konkurrenten, in einer nicht mehr: Sie gelten als die Reise-Champions, als Fe- rien-Meister, als Urlaubs-Top- Profis schlechthin.
In den Alltags-Disziplinen „Urlaubsplanung" und „Rei- seorganisation "sind sie unum- stritten, in der speziellen Spar- te „Gerichtliches Durchsetzen von Schadensersatzansprü- chen nach enttäuschenden Fe- rien" sind sie Weltspitze.
Und weil das alles so ist, gelten die zahlungsfähigen, aber längst nicht immer zah- lungswilligen Menschen deut- scher Zunge nicht nur als an- spruchsvoll, sondern mancher- orts auch als „schwierig". Nie- mand anderem kann es im Feriendomizil entweder ein- sam oder belebt genug sein, ausreichend klinisch sauber oder auch naturbelassen wild - je nach Urlaubsgeschmack. Wo ein deutscher Mensch seinen Urlaub hin plant, da hat es absolut fix zuzugehen, ersatz- weise total gemütlich. Schließ- lich steht Mann und Frau für gut verdientes Geld auch ent- sprechende Ferien-Ware zu, oder?
Aber keine Regel ohne Aus- nahme. All das, was die west- deutschen Touristik-Kunden in jahrelanger Urlaubskleinarbeit an Ansprüchen und Vorstellun- gen entwickelt haben, gilt nicht mehr, wenn es zu den neuen Urlaubstraumzielen zwischen Rügen und Zwickau geht. Da nimmt man Unbequemlichkei- ten und Unzukömmlichkeiten, Versorgungslücken und Nach- schubzusammenbrüche in Kauf, die in allen anderen Ur- laubsländern unweigerlich zu höchstgerichtlichen Verfahren führten.
Wenn es durch den östlichen Harz geht, reichen auch gepfla- sterte Güterrollbahnen, die niemandem außer der west- deutschen Automobilindustrie Freude bereiten. Wenn das nördliche Flachland der DDR bereist wird, dann begnügt sich der gastronomisch verwöhnte Westler selbstverständlich mit kümmerlicher Kohlsuppe und kargen Kartoffeln. Wenn man am östlichen Ostseestrand die Zehen ins schäumende Wasser steckt, dann sieht man großzü- gig darüber hinweg, daß der Schaum nicht vom Seewind, sondern von der nahen Küsten- chemie produziert wird.
Heil in die so häufig kriti- sierte . westliche Heimat zu- rückgekehrt, weiß man von unvorhersehbaren Schrecknis- sen zu berichten. Das einzige freilich, was der Schauer aus- löst, ist der Wunsch der Zuhö- rer, so schnell wie möglich die ach so schreckliche ostdeutsche Grottenbahn selbst zu besich- tigen. Und so wird es noch längere Zeit an der innerdeut- schen Grenze und auf mittel- deutschen Straßen totale Ver- kehrszusammenbrüche geben. Auch, ja gerade wenn die letz- ten Verkehrsbeschränkungen beseitigt sind.
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