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Grüß Gott, Moderator!

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Als mich vorige Woche die Lisi-tant' vor der Frühmesse mit „Gelobt sei Jesus Christus, Herr Moderator“ begrüßte, dachte ich noch an eine plötzliche Sinnesverwirrung. Schließlich ist die Li-sitant* schon 85 und schaut meines Erachtens viel zu viel fern.

Aber als mich auch mein lieber Mitbruder und Mitarbeiter im Weinberg des Herrn, Hochwürden Alfons Maria Schadenfroh, mit derselben Bezeichnung in Verbindung brachte, wurde ich stutzig.

„Rat' einmal, was Du geworden bist?“

„Du wirst es mir sicher gleich verraten“, antwortete ich.

„Du bist zum Moderator ernannt worden“, sagte Alfons Maria, „ich hab' es soeben dem Amtsblatt entnommen.“

„Das ist ja toll“, gab ich freudig erregt zurück, „laß mich kombinieren: der Toni Fellner vom Kirchenfunk hat zusammen mit dem Ingenieur Karlberger eine neue Sendung fürs Fernsehen erfunden, eine Diskussionsreihe, in der die heißen Eisen unserer kirchlichen Gegenwart, wie Befreiungstheologie, Zölibat, Sexualethik und einiges mehr offen angepackt werden. Und dabei soll ich einer der Diskussionsleiter sein.“

„Das würde Dir so passen“, lächelte Schadenfroh schaden-froh.„Erstens gibt es in der Kirche keine Diskussionsthemen, über die wir uns mit dem Papst nicht einig wüßten. Zweitens duldet der Bacher keine progressiven Kleriker im Tevau. Und drittens bedeutet Moderator etwas ganz anderes.“

„Laß mich noch einmal raten“, bat ich. „Man könnte das Wort .Moderator' ja selber ein wenig analysieren. Man könnte das Wort beispielsweise auch als ,Mo-de-Rator' oder ,Mode-Rater' lesen. Danach wäre ein Priester dann ein Moderator, wenn er es versteht, das Wort Gottes in zeitgemäßer Art und Weise zu vermitteln.“

„Damit kommst Du der Wahrheit schon etwas näher“, bemerkte Alfons Maria nach kurzem Zögern, „wenn wir nämlich den Begriff Mode-Rater oder Moderator - ist ja gleich - im Sinne des Konzils auslegen, dann würde man mit diesem Begriff tatsächlich einen Priester bezeichnen, der es versteht, das Wort Gottes in einer

Stürmischer Herbst der Zeit angepaßten Form zu vermitteln. So gesehen wäre das ein Teil eines gewissen .Aggiorna-mento', von dem der selige Papst Johannes zu sprechen pflegte.“

Und mein lieber Mitbruder Schadenfroh fuhr fort: „Nun sind wir aber nicht beim Konzil stehengeblieben. Heute dürfen wir uns, dank eines der größten Theologen unserer Zeit, der gleichzeitig auch Präfekt der Glaubenskongregation in Rom ist, einer viel zeitgemäßeren augustini-schen Definition des Begriffs ,Mode-Rater' bedienen. Nach dieser Auslegung ist ein Moderator ein Priester, der das Wort Gottes den modischen Zeitströmungen entsprechend auslegt und unzulässige Zugeständnisse eben diesem Zeitgeist gegenüber macht, nur um beim Publikum gut anzukommen. Und das ist eine zweifellos äußerst bedauerliche Zeiterscheinung. Aber auch diese Er-

(Karikatur Heath, Die Welt) klärung reicht noch nicht aus, um die ganze Bedeutung des Begriffs .Moderator' ganz auszuschöpfen.“

„Was sollen wir dann unter diesem Begriff verstehen?“ fragte ich nunmehr schon etwas ungeduldig.

„Denk doch nach“, ermahnte mich Hochwürden Schadenfroh, „Du warst bisher im amtskirchlichen Sprachgebrauch ein .Provisor', ein .Verweser', genauer: ein .Pfarrverweser'. Nunmehr bist Du ein .Moderator'. Und warum? Weil Deine Obrigkeit es als richtig erkannt hat, daß Deine pfarrver-wesende Tätigkeit inzwischen bereits ein Ausmaß angenommen hat, das nur mehr mit dem Vorgang des .Vermoderns' adäquat bezeichnet werden kann. Mit Recht ernennt Dich also unsere kirchliche Obrigkeit, in Kenntnis des Sachverhalts, zum .Moder-Ator'. Kapiert?“

Zugegeben, da mußte ich kapitulieren. Auf diese Auslegungsmöglichkeit wäre ich von allein nicht gekommen.

Aber dann ging mir ein Licht auf und ich erkannte, daß kirchliche Amtssprache gar nicht so weltfremd sein muß, wie sie uns bisweilen vorkommen mag. Oder ist es wirklich so abwegig, wenn das Kirchengesetz, anstatt die trockene Bürokratensprache zu bemühen, zur Bezeichnung von Ämtern und Funktionen nunmehr das Vokabular der Umweltspra-che verwendet und einige Tätigkeiten eben mit biologischen Ausdrücken wie „Verwesung“ und „Vermodern“ belegt?

Das fragt sich seither mit gebührendem Ernst Ihr Hoch würdiger Herr Moderator Rudolf Schermann.

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