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Himmel und Erde

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Gedanken zu Mariä Himmelfahrt.

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Gedanken zu Mariä Himmelfahrt.

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Die Himmelfahrt ist ein uraltes Motiv sowohl in der biblischen (Henoch, Elija, Christus) als auch in der nachbiblischen Überlieferung (Maria).

Doch auch außerhalb der jüdisch-christlichen Gedankenwelt ist immer wieder von Himmelfahrten die Rede. Heute wird gern auf das veränderte Weltbild hingewiesen, da wir doch nicht mehr in der alten Vorstellung von den drei Stockwerken leben: Die Unterwelt — das ,Reich des Todes”, die Erde — die Welt der Lebenden, der Himmel — die Welt Gottes.

Obwohl dieses alte, mythologische Weltbild durch unser wissenschaftliches abgelöst wurde, blieb ein „mythologischer Rest” in unserem Denken und Empfinden bestehen: Wir richten unsere Gebete nach oben, sind beim Anblick des nächtlichen Sternenhimmels ergriffen und empfinden eine religiöse Gestimmtheit. Und vielleicht sagen wir untertags gedankenlos: Weiß der Himmel!

Solche versprengte Gedankensplitter sind nicht bloß Abfallreste eines überholten Denkens. Sie sind vielmehr ein Hinweis darauf, daß "Himmel und Erde” auch heute noch ein Symbol sind, ein eindringliches Zeichen für eine Wirklichkeit, die mehr meint, als bloß „oben und unten”.

Den Weg zu einer tieferen Bedeutung eröffnet uns die archaische Vorstellung, daß Himmel und Erde ursprünglich vereinigt gewesen wären. (Angesichts neuerer Kosmogonien ein geradezu moderner Gedanke.) Die Trennung von Himmel und Erde habe nun den Menschen in seiner irdischen Existenz unvollständig, sozusagen ergänzungsbedürftig gemacht. Mit unstillbarer Sehnsucht nach der anderen Hälfte sei der Mensch ruhelos umhergeirrt, habe sein Leben auf der Suche nach einem vollständigen Sein verbracht. In Analogie zu der Trennung von Himmel und Erde habe er auch die Trennung von Mann und Frau als schmerzliches Suchen nach dem ungeteilten Menschsein erlebt.

Auch die Entstehung des Menschen wurde damals gern nach dem Prinzip des geteilten Ganzen (in männlich und weiblich) erklärt. So sah man in der Vereinigung von Mann und Frau eine Vorahnung der ersehnten Vereinigung von Himmel und Erde.

Auf diesem Hintergrund erweisen sich die christlichen Vorstellungen von der Himmelfahrt Jesu oder Marias als ausdrucksstarke Hinweise auf das Endziel eines christlichen Lebens: die Versöhnung von oben und unten, von Himmel und Erde, die Verschmelzung der Welt des Menschen mit der Welt Gottes.

38. Teil einer Serie über Zeichen und Symbole im Jahreskreis der Kirche.

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