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Digital In Arbeit

Ich bin einer von denen

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Die hungernden Dichter sind für manche Leute noch immer eine solche Selbstverständlichkeit, daß sie es fast für anstößig halten, wenn einer vom Schreiben allein reich wird. (Was in unserem Land ohnehin noch keinem passiert ist.) Soli der Kerl doch, finden sie, etwas Anständiges arbeiten, und sie verweisen auf die vielen erlauchten Bewohner des deutschen Dichterwaldes, die sich keineswegs nur von Lorbeer ernährt haben, sondern mehr oder weniger geregelten Brotberufen nachgegangen sind. Aber der Vergleich mit der Vergangenheit hinkt hier wie anderswo: Der Poet in der Dachstube hat sich damals, bei schlechterem sozialen Allgemeinzustand, mit seiner Armut in größerer und besserer Gesellschaft befunden und sie darum leichter ertragen; der mit dem einträglichen Brotberuf aber arbeitete unter humaneren Produktionsverhältnissen — was nicht heißen soll, daß sie angenehmer waren; die physische Belastung war größer, die psychische geringer. Ich möchte Sie, Herr Bundeskanzler, bitten, dazu Ihre Situation mit der Ihres Kollegen Goethe in Weimar zu vergleichen.

Gewiß bieten sich dem Schriftsteller heute Möglichkeiten, die er früher nicht hatte, aber auf die tatsächlich großen Chancen, die ihm unsere Informationssucht eröffnet, kann er doch nur halb eingehen, wenn er sein Talent nicht verschrotten lassen will, denn technologisch ist er ja von einer geradezu absurden Rückständigkeit: mehr als Füllfeder und Schreibmaschine hat ihm der Fortschritt nicht geschenkt. Trotzdem kann man sich bei ihm nicht wie bei den Bergbauem den Kopf darüber zerbrechen, inwieweit er erhaltungswürdig ist, selbst wenn man ganz kühl nur den wirtschaftlichen Aspekt der Sache betrachtet. Direkt und indirekt setzt er Milliarden in Bewegung. Seine Erhaltung stellt uns vor verschiedene, bestimmt nicht einfache Probleme.

Der gemeinsame Nenner für ihre Lösung ist, daß sie alle Geld kosten. Wir haben diesen Nenner „Sozialfonds“ getauft, aber er kann natürlich auch irgendeinen anderen Namen bekommen: Er ist das Geld, das von den Nutznießern der Literatur zur Erhaltung der Literaten aufgebracht werden soll. Die Leistungen, die wir von diesem Fonds erwarten, sind vielfältig, es zeichnen sich aber immerhin vier Schwerpunkte ab: Krankenfürsorge und Altersfürsorge (also das, -was einer normalen Sozialversicherung entspricht). Unterstützung in Notfällen und Bereitstellung von Stipendien. Über die beiden ersten braucht man, glaube ich, kein Wort verlieren, ihre Berechtigung wird jeder vernünftige Mensch einsehen. Die Unterstützung in Notfällen und die Stipendien sollen die Voraussetzung dafür schaffen, daß es auch in Zukunft — und leichteren Herzens“ als hdúté7 ‘‘ė’ūiė’.-odfer der andere wagt, sicfi.««M8iatelang und vielleicht auch jahrelang einer Arbeit (einem Werk) zu widmen, deren Erfolg und Ertrag bis zuletzt ungewiß ist.

Ich weiß, wovon ich rede, denn ich bin einer von denen, die es — heute — nicht wagen, sei es aus Feigheit, aus Vorsicht oder aus Verantwortungsbewußtsein. Die Literatur soll die Literatur ernähren: Von diesem Grundsatz gehen wir aus. Aber wir werden nur ans Ziel kommen, wenn der Gesetzgeber uns hilft, ihn zu verwirklichen. Es liegt an Ihnen, ob wir weiter von Almosen vegetieren oder erhalten, -was uns gebührt: Einen fairen Anteil an dem, was andere an uns verdienen.

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