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Keine Furcht vor Atomkraft in Sowjeteuropa

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Während in westlichen Ländern die Gegner der Atomkraftwerke mit Hilfe von Agitation, Propaganda, ja Massenhysterie den Bau solcher Energiequellen zu verhindern suchen, finden in Sowjeteuropa keine solchen Demonstrationen statt, weil das Volk gar nicht befragt wird und den kommunistischen, also monopolistischen Massenmedien die Publikation kritischer Stellungnahmen untersagt ist. Die von Moskau beeinflußten Regierungen haben ein gemeinsames Programm beschlossen, das rigoros durchgeführt wird, und damit Punktum!

Aus einer Erklärung des ungarischen Stellvertretenden Hütten- und Maschinenindustrieministers Dr. Jä-nos Heiczman geht hervor, daß die COMECON-Länder unlängst ein gemeinsames Zielprogramm zur Spezialisierung des Atomkraftwerksbaus und der einschlägigen Maschinenfabrikation ausgearbeitet haben. In Osteuropa ist man stolz darauf, daß in den Blockländern verhältnismäßig mehr Atomkraftwerke in einem schnelleren Tempo erbaut werden als in der übrigen Welt. Die Gesamtkapazität aller sowjeteuropäischen Atomkraftwerke betrug am 1. Jänner 1977 7500 Megawatt. Dem Entwicklungsprogramm zufolge soll die Kapazität bis 1980 auf 30.000 Megawatt erhöht werden. 1990 soll dann der Energiebedarf in den Mitgliedsländern zu 50 Prozent durch Atomenergie gedeckt sein

Der erste Atomreaktor mit 210 Megawatt Elektronenenergieleistung lief 1964 in der Sowjetunion an. Im selben Jahr erhielten die Partnerländer aus Moskau die Dokumentation für einen Zwillings.reaktorblock mit 800 Megawatt. Alle Satelliten mußten sich verpflichten, solche Energiequellen in enger Kooperation mit der UdSSR zu errichten. Sie wußten alle sehr wohl, daß der Bau solcher Nuklearkraftwerke wesentlich teurer ist als die Errichtung von Thermokraftwerken, daß aber die Produktionskosten billiger sind.

Derzeit liegt das Hauptaugenmerk auf der technologischen Weiterentwicklung. In den thermonuklearen Kraftwerken wird heute nur ein Prozent des eingebrachten Urans verwertet. Der wirtschaftlich günstig verwertbare Uranerzvorrat der Erde reicht jedoch nur bis zum Jahr 2000. Man beobachtet deshalb sehr aufmerksam die Wirkung der neuen Schnellbrüter, da solche Reaktoren 60 bis 70 Prozent des Uranerzes nutzbar machen und infolgedessen die Energieerzeugung verbüligen. Im Laufe der Thermoreaktion wird obendrein Spaltmaterial gewonnen, das wiederum zur Energiegewinnung verwendet werden kann.

Sowjeteuropa hat bereits im Jahre 1974 die Konzentration und die Vereinheitlichung der atomenergetischen Maschinenerzeugung beschlossen. Im Jahr wurde die Organisation INTER-ATOMENERGO ins Leben gerufen. Sie hat bis einschließlich 1980 festgelegt, welche stromenergetischen Einrichtungen in Kooperation erzeugt werden müssen. 1978 soll dann eine ergänzende Vereinbarung für die Zeitspanne von 1981 bis 1990 unterzeichnet werden. Wichtige Beschlüsse wurden in Warschau anläßlich der 31. Tagung des COMECON gefaßt. Wegen der ständig drohenden Preissteigerung des Rohöls wurde das Prinzip akzeptiert, daß in Zukunft Nuklear- und Kohlekraftwerke Vorrang haben sollen. Die Fabrikation der notwendigen Einrichtungen soll beschleunigt werden. Die atomenergetische Maschinenfabrikation war nämlich bis 1977 in Sowjeteuropa noch unbedeutend. Interessant ist, daß auch Jugoslawien der Organisation INTERATOME-NERGO beigetreten ist, weü sich Belgrad von dort nicht nur Einrichtungen, sondern auch organisatorische und technische Hilfeleistungen erhofft

Wenn das Programm der INTER-ATOMENERGO in die Tat umgesetzt werden kann, macht Sowjeteuropa einen großen Schritt vorwärts in Richtung der von den Russen angestrebten Wirtschaftsintegration.

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