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Kirchliche Partnerschaft

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Durch, vier Jahrhunderte war der österreichische Protestantismus und damit seine Kirche durch drei Merkmale gekennzeichnet:

•Sie war überwiegend eine Laienkirche,

•ihr äußeres, aber auch ihr inneres Leben wurde oft von politischen Mächten bestimmt und der katholisch geprägte Staat trat vielfach als Gegenspieler auf,

•letztlich bestimmte der Unterschied, ja der Gegensatz zur nichtevangelischen Umwelt das Schicksal dieser Diasporakirche.

Heute, 1976, ist es anders.

Das Verhältnis zum Staat wie auch zur katholischen Kirche hat sich grundlegend gewandelt.

In der Vergangenheit erschien das Schicksal der evangelischen Minderheit in Österreich in geradezu paradoxer Weise mit dem des österreichischen Staates verkettet zu sein: ging es dem Staat gut, ging es den Protestanten schlecht und umgekehrt. So wurde es oft schwer, als Protestant ein guter Österreicher zu sein. Lange Zeit hindurch stand der evangelische Christ vor der Alternative „Glaube oder Heimat“.

Diese hier kurz angedeuteten geschichtlichen Tatsachen waren vielfach von psychologischer Bedeutung, denn alles, was römisch-katholisch war, schien suspekt und wenig vertrauenswürdig. Nur wer diese Zusammenhänge kennt und überschaut, wird das spannungsvolle Verhältnis der evangelischen Diasporakirche zum österreichischen Staat und zur Mehrheitskirche verstehen können, aber auch mit Freude den großen Wandel, die historische Wende, die sich in' den letzten Jahren vollzogen hat, richtig einschätzen.

Als vor 15 Jahren, am 6. Juli 1961, vom Parlament das „Bundesgesetz über äußere Rechtsverhältnisse der evangelischen Kirche in Österreich“ verabschiedet wurde, erhielt die evangelische Kirche augsburgischen und helvetischen Bekenntnisses die uneingeschränkte Freiheit, und auf dem Boden dieser Freiheit konnte eine echte Partnerschaft mit dem Staat und den anderen Kirchen wachsen. ,

Weder kirchliche Gesetze noch die Bestellung kirchlicher Amtsträger bedarf einer staatlichen Genehmigung oder Bestätigung. Die Kirche ist Körperschaft öffentlichen Rechts. Der Staat seinerseits schützt und unterstützt die Kirche. Zwischen Staat und Kirche herrscht nun eine freie und vertrauensvolle Partnerschaft. Auch das Verhältnis zur römisch-katholischen Kirche hat sich seit dem Protestantengesetz entscheidend gewandelt. Sicher, auch die katholische Kirche war im iMufe der Zeit einem Wandlungsprozeß unterworfen. Beide Kirchen haben aber erkannt, daß heute nur im Miteinander die großen Aufgaben des Christentums erfüllt werden können. So ist es im klassischen Land der Gegenreformation eine Selbstverständlichkeit, verschiedene Probleme, wie Fragen des öffentlichen und kulturellen Lebens, im ökumenischen Zusammenwirken zu behandeln und einer Lösung zuzuführen.

Diese evangelische. Kirche hat nichts von ihrem Bekenntnis, nichts von ihrer Eigenständigkeit aufgegeben, sie hat vielmehr durch das neue Verständnis von Staat und katholischer Kirche Räume des Einflusses dazuge-wonnen, die hoffnungsvolle Ansätze für die Zukunft erkennen lassen. Die evangelische Kirche weiß sich als freie Kirche im freien Staat, sie ist sich ihrer Bedeutung und Aufgabe verantwortlich bewußt. Sie pflegt und schätzt die kirchliche Partnerschaft.

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