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Kleine Schar, große Herde

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Vor kurzem konnte man im österreichischen Fernsehen einen französischen Film sehen, der (ursprünglich für das französische Fernsehen gedreht) dann nur — allerdings mit großem Erfolg in den Kinos laufen durfte. Es handelt sich um den Bericht über die Situation nach dem Waffenstillstand zwischen Frankreich und Deutschland in der französischen Stadt Clermont-Ferrand. Darin wird deutlich, wie der Großteil der Bevölkerung passiv und teilnahmslos blieb gegenüber dem Geschick Frankreichs nach seiner Niederlage gegen Deutschland und nur einige Wenige aktiv im Untergrund zum Kampf gegen die nazistischen Sieger bereit waren. Heldenmut, Bekenntnis, Kampf für Ideale ist offensichtlich nicht jedermanns Sache, i

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Vor kurzem konnte man im österreichischen Fernsehen einen französischen Film sehen, der (ursprünglich für das französische Fernsehen gedreht) dann nur — allerdings mit großem Erfolg in den Kinos laufen durfte. Es handelt sich um den Bericht über die Situation nach dem Waffenstillstand zwischen Frankreich und Deutschland in der französischen Stadt Clermont-Ferrand. Darin wird deutlich, wie der Großteil der Bevölkerung passiv und teilnahmslos blieb gegenüber dem Geschick Frankreichs nach seiner Niederlage gegen Deutschland und nur einige Wenige aktiv im Untergrund zum Kampf gegen die nazistischen Sieger bereit waren. Heldenmut, Bekenntnis, Kampf für Ideale ist offensichtlich nicht jedermanns Sache, i

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Über die Zeit Hitler-Deutschlands ist jüngst auch eine Sammlung, Berichte des SD und der Gestapo über Kirchen und Kirchenvolk in Deutschland 1934 bis 1944, erchienen. Nach 1938 haben auch wir in Österreich das mitgemacht. An diesen Berichten ist besonders interessant, wie eine relativ kleine Gruppe katholischer Christen sich im Abwehrkampf gegen die Nazi-Ideologie und das Nazi-Regime bewährt hat. Auch hier blieb gewiß die Masse der Katholiken passiv abseitsstehend bis zu einem gewissen Mitlaufen mit dem Trend der Zeit. Auch hier sehen wir aber auch eine bekennende Kirche im tapferen Widerstand. Freilich konnte es nicht in erster Linie die offizielle kirchliche Führung sein, die nach außen hin eindeutig auftrat, mußte sie doch auf die Interessen vieler Rücksicht nehfhen und im Sinne des Überlebens agieren. Im wesentlichen aber hat die kirchliche Führung auch hier tapfer standgehalten und gerade über die Schar der Getreuen immer noch ihre Wirkung auf die relativ passive Masse nicht verfehlt.

Besonders fällt bei der Lektüre auf, mit welcher Tapferkeit und Eindeutigkeit damals auf vielen Gebieten argumentiert wurde, in denen heute innerhalb der Kirche der Zweifel und der Abbau der Werte im Gange scheint. Erinnern wir uns an die Verteidigung des Zölibats der katholischen Priester damals. Nicht selten wurde mit einer gewissen Ironie auf das Beispiel des „Führers“ verwiesen, der ebenfalls zolibatär geblieben sei. Erinnern wir uns an die Angriffe gegen das Klosterleben und die tapfere Verteidigung der Ideale des Ordensstandes und des Klosters dagegen. Erinnern wir uns an die Stellungnahme der Christen (auch durch Untergrundliteratur) gegen die damalige Propaganda für Euthanasie. Erinnern wir uns an das Eintreten für die Rechte der Kirche, auch in der Öffentlichkeit religiöse Kundgebungen zu setzen, zu Fronleichnam oder zu Ostern mit einer Prozession auf die Straße zu gehen. Denken wir an den Kampf um die Feiertage, da das gläubige Volk selbst an den aufgehobenen Feiertagen die Verschiebung auf den Sonntag nicht mitmachte, sondern gerade auch an den zu Wochentagen erklärten Festen ostentativ zur Kirche ging. Denken wir an die mutige Verteidigung des römischen Papsttums. In manchen Kreisen, so berichtet ein Polizeibericht, wurde von Katholiken der Gruß „Heil Hitler“ durch „Heil Pius“ ersetzt (Pius XII. war uns ein geliebter und geachteter Papst!). Erinnern wir uns, wie die Jugend dem damaligen Kardinal Innitzer oder auch anderen deutschen Bischöfen zujubelte, als sie den Mut fanden, gegen das Unrecht des Nazismus aufzutreten.

In manchem kann man auch heute die Parallele ziehen zur Situation der Kirche in den Ländern der kommunistischen Staaten. Aus einiger weniger Erfahrung und aus den Berichten vor allem der Untergrundliteratur Rußlands zum Beispiel läßt sich ziemlich eindeutig schließen, daß ein ähnlicher Prozentsatz von gläubigen Christen wie damals in Deutschland und Österreich sich zu einem mutigen aktiven, gläubigen Leben bekennt.

Es wäre aber eine Gefahr, aus dieser „Kleinen Herde“ der bis zum letzten treu gebliebenen und mutigen Gläubigen eine Sekte zu machen, losgelöst von der Masse derer, die nur geringeren Mut haben und nur geringeres Bekenntnis aufweisen. Beide gehören zusammen. Die einen, die das Christentum möglichst unverkürzt leben und ernst nehmen, und die anderen, die eben in einer mehr oder weniger engen Bindung zu dieser Kerngemeinde stehen, von ihr nicht abgestoßen werden, sondern irgendwie in ihrem Einflußbereich leben. Die „Kleine Herde“ der GLäubigen, von der Jesus zu den Aposteln sprach, 1st nicht eine abgekapselte Schar, sondern eine offene Gemeinde, die mit und für die Vielen lebt und wirkt, seien es nun die sich formal und innerlich mehr oder minder zu der Kirche Bekennenden oder bereits eindeutig Abseitsstehenden Kirche Jesu hat immer den Auftrag für die vielen!

Zwei große Fehler gilt es aber, für den gläubigen bekennenden Kern der Kirche unter der rechtmäßigen Führung der Hierarchie zu vermeiden. Einmal die Gefahr, sich abzukapseln und die weniger Festen abzustoßen. Nicht minder groß ist die Gefahr, ja sie ist heute ganz besonders aktuell, daß diese kleine Schar den Mut zum eindeutigen Bekenntnis verliert. Anders als zu den Zeiten der Terrorgesellschaft des Naziregimes hat unsere pluralistische permissive Gesellschaft die große Versuchung in sich, daß die Kernschar der Kirche aufhört, das ganze Evangelium unverkürzt zu verkünden und zu leben, den Mut dazu verliert.

Wer den oben zitierten Band der Berichte liest, wird gerade in den kurz erwähnten Themen und den übrigen Punkten katholischen Widerstandes von einst Parallelen ziehen, wieweit hier nicht Werte heute leichtfertig gegenüber damals aufgegeben werden. Wir müssen wieder alle Kräfte mobilisieren, den Mut zu haben für die Kirche Jesu Christi, ihre von Christus gestiftete Führung, das Evangelium, das sittliche Naturgesetz voll einzutreten. Nicht darauf kommt es an, daß alle mit uns mitmachen können, sondern daß die Wahrheit weiterlebt und weiterwirkt.

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