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Künstler als Propheten

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Das anspruchsvolle Thema „Prophetische Stimmen aus der kulturellen Szene" der Interna- tionalen Religionspädagogischen Tagung in Salzburg brachte nicht nur namhafte Referenten, sondern auch Podiumsgespräche und Ate- liers für Malerei, Musik, Literatur, Tanz und Theater gaben Gelegen- heit zu Auseinandersetzung.

Zur „Neuen religiösen Dimension in der Musik" versuchte Heinz- Albert Heindrichs (Gelsenkirchen) eine Diagnose, mit Beispielen ex- zellent beschrieben und nicht zum Klingen gebracht und Namen wie Dieter Schnebel, Karlheinz Stock- hausen, Wilhelm Killmayer und Arvo Pärt wurde die Frage bejaht.

Zum „Leben mit Kunst" empfahl Günther Rombold (Linz) den drei- fachen Zugang: über die Sinne, über die Philosophie und über die Theo- logie - also eine Wahrnehmung mit allen Sinnen, denn: „Auch in den Sinnen ist Geist", ferner Reflexion und Auseinandersetzung. Zur Fra- ge nach dem Erkennen von Quali- tät nannte Rombold die Form eines Kunstwerks, denn „Die Form ist Qualität, ist das, was sich dem Chaos widersetzt." Offenheit und Geübt- heit des Betrachters würden gefor- dert und: „Das Kunstwerk muß ein Geheimnis bleiben. Es wird sich nie ganz entschlüsseln." Kunst und Religion seien autonome Gebiete, die keinen Anspruch aufeinander erheben dürften.

Karl Josef Kuschel (Tübingen) begab sich auf die literarische Spu- rensuche nach Gott. Gottfried Benns „Verlorenes Ich" stand am Anfang, leitete über zu Wolfgang Borchert, der das Lebensgefühl seiner geschundenen Generation zu schildern wußte, zu Heinrich Boll, Wolfdietrich Schnurre, Friedrich Dürrenmatt, in deren Werken ein dunkler, verborgener oft grausa- mer Gott lebt.

Von den fünfziger Jahren wech- selte Kuschel in die Gegenwart, in der „das fromme Bekenntnis der Tod jeder Literatur" sei, die Trag- fähigkeit des Redens von Gott wurde an ausgesuchten Beispielen überprüft. Schnurres „Schuldbe- wußtsein als eigentliche Triebfeder schöpferischer Arbeit" kam zur Sprache, ebenso das „Gott mitden- ken" Peter Handkes, eine Art säku- larisierter Sakramentalität, oder Stefan Heyms „Rede von Gott" als rebellierende Erinnerung an unein- gelöste Hoffnungen. Gedichte von Paul Celan („Zürich, zum Stor- chen") und Günter Kunert („Göt- terdämmerung"), um nur ein paar zu nennen, standen als Beispiele für die Tatsache, daß es heute nicht mehr möglich ist, „von Gott voll- mundig zu reden".

Ambras Eichberger (Zürich) zeig- te deutlich, daß auch im Filmschaf- fen ein neues spirituelles Gewicht zu erkennen sei. Wim Wenders „Engel über Berlin" wurde erwähnt, der Oscar-gekrönte „sprachlose" Kurzfilm der Brüder Christoph und Wolfgang Lauenstein gezeigt („Balance") sowie ein Ausschnitt aus Andrej Tarkowskijs „Offret Sacrificatio".

Günter Lange (Wiesbaden) zog die Konsequenzen für die Religions- pädagogik.

Von ihm wurde nüchtern der „Verlust der Mitte" konstatiert und gleichzeitig erklärt, daß ein Verlust auch ein Gewinn für die Gesell- schaft sein könne, nämlich, die Kunstwerke und ihre Botschaft in der ihnen je eigenen Sprache auf- zunehmen: „Wenn wir keine kate- chetische Kleingärtnerei betreiben wollen, müssen wir die Künste als Verbündete gewinnen."

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