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Lautloser Auszug aus der Kirche

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Pater Josef Garcia Cascales ist Provinzial der Claretiner und Direktor der Cursillo-Bewe-gung in Österreich.

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Pater Josef Garcia Cascales ist Provinzial der Claretiner und Direktor der Cursillo-Bewe-gung in Österreich.

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Es geht mir jetzt natürlich nicht um den sogenannten „Fall' Küng". Es geht um einen Satz, den der Theologe am Anfang des vorläufigen Endes seiner Affäre gesagt hat. Er forderte „die Hierarchie" auf, sich über die Hunderttausenden Christen Gedanken und Sorgen zu machen, die sich lautlos von der Kirche entfernen. Damit trifft er natürlich nicht nur die Hierarchie, sondern die gesamte Kirche.

Sosehr Gott der Absolute ist und der Mittelpunkt aller Menschen und Dinge bleiben muß, so orthodox bleibt es auch, daß die Menschwerdung, die Dogmen und die Sakramente ein Werk Gottes sind, um den Menschen zu helfen, und sie zu retten. Was und wem hilft es, unendliche Sorge zu tragen für Dogmen, Disziplin und beruhigende Ordnung, wenn die Sorge für die Menschen kleiner oder gar vergessen wird oder verschwindet?

Blind muß man sein, wenn man noch nicht gemerkt hat, daß der Glaubensschwund lange vor dem II. Vatikanischen Konzil alarmierend geworden ist.

Von Pius XI. sagt man, er hätte den Schlaf verloren* wenn er an die Missionen gedacht hat. Wir müssen annehmen, daß Papst, Bischöfe, Priester und engagierte

Christen viel Schlaf verlieren, wenn sie an den Glaubensschwund in unseren Ländern denken.

Wenn wir aber wahrnehmen, daß diejenigen, die Verantwortung in unserer Kirche tragen und spüren, sich so viele und so große Sorgen „um so vieles" machen, dann fragen wir uns oft, ob sie sich auch so viele Sorgen um die Gesundheit, die Vertiefung und Kräftigung des Glaubens bei den Christen machen.

Wer an der Basis mit den Gläubigen ständig in Kontakt ist (und das ist gewöhnlich der niedere Klerus), kommt aus dieser schmerzlichen Konfrontation nicht heraus. Und es wäre so gesund, wenn der höhere Klerus diese schmerzliche Konfrontation oft machte! Vielleicht macht er sie*. Dann wären wir froh, es mehr zu merken.

An den Symptomen hängen zu bleiben und die Krankheit nicht aufzuspüren, um sie zu heilen, ist gefährlich und unverantwortlich.

Es ist eine gesunde Sorge, 'die Suche nach den Priester-und Ordensberufen, wobei es sich hier um zwei Fragen handelt, die in ihrer grundlegenden Bedeutung nur etwas miteinander zu tun haben: Dienst an der Eucharistie!

Für Priester zu sorgen, müßte prinzipiell leicht sein, wo eine echte eucharistische Gemeinschaft sich verwirklicht. Die Jungfräulichkeit, das sogenannte Ordensleben dagegen, war immer eine spontane Blüte eines lebendigen Glaubens. Es hat keinen Sinn, einen Birnenbaum zu schlagen und zu pressen, damit er uns Birnen gibt. Was er braucht, ist richtige Pflege, richtige Nahrung, richtiger Saft: die Frucht kommt dann von selbst.

Der sonntägliche Meßbesuch ist Exponent der Vitalität des christlichen Glaubens. Aber gerade deshalb kommt es darauf an, diese Vitalität hervorzurufen.

Hier nun keine Randbemerkungen eines engagierten Christen, sondern eine brennende Frage eines Priesters aus dem 'Alltag der Seelsorge: Könnten, sollten und müßten nicht alle, die Verantwortung tragen in der Kirche, viele Sorgen um recht fragliche Anliegen (die man Politikern, Soziologen, Fürsorgern usw. überlassen könnte), Sorgen um Nebensächliches oder Folgeerscheinungen aufgeben oder einschränken und die freigewordene Kraft und Dynamik auf das Wesentliche, auf das Eigentliche, auf das Dringende, auf die Urquellen (auf den Baum, von dem die Frucht kommt) konzentrieren?

Werkzeuge und Möglichkeiten wären da (Cursillos, Charismatische Erneuerung, Bewegung für eine bessere Welt...), aber die dabei arbeiten, fühlen sich oft genug verlassen und enttäuscht.

Der Mensch steht im Mittelpunkt der Sorgen Gottes. Alles andere ist Hilfe. Warum denn nicht und auch im selben Ausmaß bei der Hierarchie und bei der ganzen Kirche?

Denn es ist war: Hunderttausende Christen entfernen sich lautlos von der Kirche!

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