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Moderne Hexenjagd

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Für das vakant gewordene Bistum Rotterdam ist vom Papst ein neuer Bischof ernannt worden: der 39jährige Kaplan Dr. Adria-nus Johannes Simonis. Die Ernennung hat in Holland und darüber hinaus einen ungeheuren Sturm hervorgerufen^ der für manche Außenstehende den Eindruck erweckte, daß die holländische katholische Kirche endgültig vor dem Schisma stehe. Es hagelte an Beschuldigungen gegen den päpstlichen Nuntius in Holland und natürlich auch gegen den Papst, daß sie angeblich die Wünsche der holländischen Katholiken in bezug auf die Besetzung Rotterdams unberücksichtigt gelassen hätten.

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Für das vakant gewordene Bistum Rotterdam ist vom Papst ein neuer Bischof ernannt worden: der 39jährige Kaplan Dr. Adria-nus Johannes Simonis. Die Ernennung hat in Holland und darüber hinaus einen ungeheuren Sturm hervorgerufen^ der für manche Außenstehende den Eindruck erweckte, daß die holländische katholische Kirche endgültig vor dem Schisma stehe. Es hagelte an Beschuldigungen gegen den päpstlichen Nuntius in Holland und natürlich auch gegen den Papst, daß sie angeblich die Wünsche der holländischen Katholiken in bezug auf die Besetzung Rotterdams unberücksichtigt gelassen hätten.

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Tatsächlidi protesitierten 80 Prozent der Geistlichen der Rotterdamer Diözese und darunter 14 Dedianten gegen die Berufung des neuen Bischofs. Was nun hatte der Arme verbrochen, daß ein derartiger Protest gegen ihn losbrach? Der neue Bisdiof hatte in seinem bisherigen Leben gar nichts verbrochen. Er kommt aus einer kinderreichen Famailie, was in Holland keine Seltenheit ist, studierte in Rom, ging nach Holland zurück, wurde Seelsorger imd… Sein Verbrechen besteht darin, daß er sich für die Beibehaltung des Zölibats erkärte und die berühmte Enzyklika „Hu-manae vitae” des Papstes verteidigte. Aus diesen Tatsachen lasen so manche heraus, daß Dr. Simonis kein Progressiver sei vmū infolgedessen ein Konservativer, wenn nicht ein reaktionärer Bischof sein werde. Und da begann der Sturm gegen ihn. In der ganzen Angelegenheit sind zwei Fakten bemerkenswert: • Es wird heute in der Kirdie außerordentlich viel vom Pluralismus gesprochen, das heißt, es sollen auch in der Kirdie mehrere Meinungen nebeneinander stehen können. Aber jene, die immer wieder die Einhaltung dieses Grundsatzes betonen, sind in keiner Weise bereit, diesen Grundsatz einzuhalten, wenn sie einmal in irgendeiner Form die Macht in den Händen haben. Daß neben progressiven Elementen der holländischen Kirche auch einmal ein nichtprogressiver Bischof vorhanden sein könnte, wodurch eigentlich der Grundsatz des Pluralismus erst durchgeführt worden wäre, trieb jene Elemente in Holland, die die Durchführung des Grundsatzes des Pluralismus immer wieder fordern, auf die Palme. Womit sie eigentlich bewiesen, daß es ihnen giar nicht um die Durchsetzung dieses Grundsatzes geht, sondern nur, diesen Grundsatz zu verwend«!, um irgendwo die Macht zu erringen. • Die zweite bemerkenswerte Tatsache ist, daß jene, die gegen die Berufung von Dr. Simonis protestierten, nur eine Mindeiheit darstellen, aber so tun als ob sie die Mehrheit wären. Von 800.000 Katholiken der

Rotterdamer Diözese waren nur 80.000 gegen die Berufung von Doktor Simonis. Die große Mehrheit war somit für ihn, aber die 10 Prozent Gegner genügten, um aller Welt glauben zu machen, daß der neue Kandidat vollkommen abgelehnt werde. Diese Tatsache ist ein Beweis, daß es den kleinen progressiven Minderheiten hier so wie fast überall gelungen ist, die Massenmedien in die Hand zu bekommen. Über diese Massenmedien konnte in die Welt hinausposaunt werden, d^ß die Berufung von Dr. Simonis manipuliert worden sei. Nun mußte aber Kardinal Afrink öffentUdi zugeben, daß auch in diesem Fall keinerlei Manipulationen vorgenommen worden seien, sondern Rom sich strikt an die üblichen Formen emer Bisdiofsemennung gehalten habe. Schließlich steht dem Papst noch immer das Redit zu, wenn n’cht etwa Konkordatbestimmungen oder Wahlrechte von Kapiteln etwas anderes sagen, jenen zum Bischofsamt zu berufen, der ihm am geeignetesten erscheint. Daß ein Papst hiebe! die Vorschläge eines Domkapitels, einer Bischofskonferenz und der Römischen Kongregation berücksichtigt, ist nur selbstverständlich.

Die ganze Angelegenheit um die Ernennung von Dr. Simonis beleuditet nur erneut greU die Situation, die im holländischen Katholizismus herrscht, die eigentlich nur vom Klerus und nicht von Laien ausgeht Diese ganze Unruhe ist nichts anderes als ein Beweis, daß die Vorgänge in Holland in erster Linie ein Aufstand des Klerus gegen die Bischöfe sind. Holland ist ein vom Kalvinismus zutiefst geprägtes Land. Die harten Lebensgewohnheiten des Kalvinismus sind auch immer wieder in der Katholischen Kirche Hollands anzutreffen. Durch all die Jahrzehnte hindurch, seit es wieder edne Hierarchie in Holland gibt waren die holländischen Bischöfe gegenüber ihrem Klerus sehr harte und unbarmherzige Kapitäne eines Kriegsschiffes. Lange ließ sich der Klerus diese Behandlung gefallen, aber eines Tages revoltierte er. Und diese Revolte ist nun da. Bs ist eine alte Tatsache, daß Terroristen, wenn sie sich einer geballten Macht gegenübersehen, umfallen und zu Verhandlungen bereit sind. Als die Revolte des holländischen Klerus gegen den holländischen Episkopat begann, zeigte sich diese Tatsache erneut Diese so harten Bischöfe wurden plötzlich lammfromm und waren zu allerhand Kompromissen bereit. Aber ihnen gegenüber stand und steht nicht nur der holländische Klerus, sondern steht auch Rom, mit dem sie die Gemeinschaft doch nicht lösen wollten. Aus dieser Lage ergibt sich die seltsame schwankende Haltung, die der holländische Episkopat seit einiger Zeit einnimmt.

Durch die Ernennimg von Dr. Si-

monis zum Bischof vcm Rotterdam hatte mm der holländische Klerus, insbesondere dieser Diözese, Angst bekommen, es käme vielleicht wieder ein Bischof an die Spitze der Diözese, der zum Unterschied von der sdiwächlichen Haltung des sonstigen holländischen Episkopats zu den harten Methoden eines kalvirüsti-schen Kriegsschiftkapitäns zurückkehren könnte. So nur ist es zu erklären, daß vom Klerus der Diözese Rotterdam tatsächlich 80 Prozent sich gegen den neuen Bischof erklärten. Sie hatten einfach Angst, daß die alten Zeiten wiederkehren könnten. Die Laien dagegen begrüßten die Ernennung zum überwiegenden Teil, denn sie hofften gerade, daß die alten Zeiten wiederkommen könnten, in denen die Kirche in Holland eine klare Linde gehabt hatte. Die Zukunft wird lehren, ob «iie Ängste des Klerus berechtigt waren imd ebenso die Hoffnungen der Laien. Die ersten Schritte des neuen Bdischofs haben schon darauf hingewiesen, daß er zu den alten Wegen, die die Bischöfe früher gegangen sind, nicht zurückkehren wUl. Und ebenso haben seine ersten Schritte bewiesen, daß er die Hoffnungen der Laien nicht enttäuschen wird.

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