6819057-1973_24_13.jpg
Digital In Arbeit

„Nächstes Jahr in Jerusalem“

Werbung
Werbung
Werbung

„Schlicks Cigarre, glühend im stärksten Feuer, hat manchen beruhigt und manches junge Soldatenherz erwärmt, welches bereits im uiv gewohnten Kanonenfeuer Anfälle von Fieberfrost verspürte“; so berichtete vor 120 Jahren der „Lanzknecht“ in seinen „Postdiluviani-schen Fidibusschnitzeln“. Schlick — einer der Männer des Krieges von 1848/49 — war leicht zu erkennen an der schwarzen Binde über einem Auge — er gehörte zur interessanten Reihe der einäugigen Feldherren, über denen in der germanischen Sagenwelt Walvater selbst einher-schwebt. In der Geschichte aber stehen in dieser Reihe zuerst und zuletzt Kriegsmänner semitischen Stammes — vor fast 22 Jahrhunderten Hanni-bal, heute Moshe Dayan.

Sein Name ist so wohlbekannt, daß eine Geschichte seines Lebens wahrscheinlich beim österreichischen Publikum viel Erfolg haben wird. Die Österreicher haben ja auch die Erinnerungen solcher Generäle gelesen, zu deren Kriegszielen die Auslöschung Österreichs (gehörte; um so eher werden sie das Leben des Kriegsministers im Sechstagekrieg lesen wollen. Das Buch, das vor uns

liegt, verdient alle Aufmerksamkeit um so eher, als es bei weitem keine Lobrede ist. Der Leser erfährt durchaus, was gegen General Dayan gesagt werden kann und denn auch (es ist von Israelis untereinander die Rede!) täglich mit Nachdruck gesagt wird. Freilich — gerade die Erkenntnisse des altösterreichischen Offiziers, den wir da zitieren, helfen uns manches an Dayan verstehen. Der Text vor unserem Zitat (der Kommentar zum Benehmen jenes k. k. Einäugigen) geht nämlich so: „Man vergesse nicht, jeder, der vor Massen auftritt, ist und muß es sein, mehr oder weniger — ein Komödiant: il pose! — Mit nüchternem Ailge lassen sich diese notwendigen Künste, welche oft auf die Menge weit mehr wirken als die reellsten Vorzüge, nicht abschätzen.“ Über diese Sitten von General Dayan hat man viele Witze gemacht — er hat aber auch kaum zu fürchten, daß sich ein anderer gerade so in Szene zu setzen wissen würde. Was meinen wir damit? Nun, sein Biograph erzählt uns da auch von des Generals militärischen Grundsätzen. Er hatte zu bemerken geglaubt, daß die sehr berechtigte Sorge um die Eigenen jüdische Offiziere dazu brachte, allzuleicht offensive Bewegungen aufzugeben; und da hatte er denn zur Regel gemacht, eine anbefohlene Unternehmung abzubrechen, wäre nur bei 50 Prozent Verlusten entschuldbar.

Auf den ersten Blick erinnert diese Regel an Grundsätze (ä la: Hunde, wollt ihr ewig leben?), an die man nicht erinnert werden möchte. Aber das ist im Lichte eines anderen Grundsatzes zu 'verstehen; General Dayan ist nämlich überzeugt, in schwieriger Lage wäre der wirksamste Befehl: „Mir nach!“ Und das entspricht den Begriffen der alten Armee besser, “und erklärt so manches. Wie das eben in jenem Abschnitt der „Lanzknecht“ feststellt: „Es ist vielleicht nicht vernünftig, nicht vorsichtig, nicht rationell, aber paßt ad hominem... Allerdings zahlt man es oft theuer, auch mit dem Leben, deßwegen ist man aber General geworden, und nicht Profes-

sor oder Kommerzienrath!“ (Daher das eine Auge.)

Dabei wird den Psychologen die Schilderung interessieren, daß General Dayan schon das Land seiner Geburt verteidigt; er wurde als Kind früher Siedler im Heiligen Land geboren. Hoch interessant ist dabei, daß er auch darin dem altösterreichischen Offizierstyp ähnlich (und von viel zu vielen heutigen, auch jüdischen, Kriegsteilnehmern verschieden) ist, daß er den Gegner zu verstehen, zu achten versteht. (Er hat auch zu Pferde gedient.) Doch ist es hier nicht möglich, auf die Einzelheiten von Krieg und Frieden einzugehen. Bemerken wir zur Arbeit der Übersetzer, daß ihr Deutsch gut ist wenngleich man oft das englische Original heraushört, und Fremdwörter manchmal Schwierigkeiten zu machen scheinen. Auch wünscht man sich in einem kriegsgeschichtlichen Buch sehr viel

mehr Kartenskizzen! Unser wahres Interesse gilt aber hier freilich nicht irgendeinem General irgendeines Volks, sondern der Tatsache, daß das alles im Heiligen Land geschieht. Nun denn, Dayan ist nicht nur Realist wie jeder Soldat, sondern er gibt zu erkennen, kein religiöser Mann zu sein. Aber er hat unter anderem das Buch Zohar und die Quellenschriften der lurianischen Kabbäla studiert. Er glaubt gewiß auch nicht, daß sein Kriegsschauplatz einem anderen gleichzusetzen wäre ...

MOSHE DAYAN. Politiker, Soldat, Legende. Von Shabtai. Tev eth. Deutsch von Philipp F. W. Fleck und Helmut Degner. Titel des Originals: Moshe Dayan — The Soldier, The Man, The Legend. — Hamburg, Hoff-mann und Campe, 1973. 432 S., 22 Abb.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung