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Nicht a la USA

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Innsbrucks „Trassenkampf“, vor gut einem Jahr als Selbsthilfeaktion weiter Bevölkerungskreise gegen verkehrstechnische Vergewaltigung begonnen, dauert immer noch fort. Nach dem erfolgreichen Protest gegen den ursprünglich geplanten Autobalmvollknoten Innsbruck-West wurde eine Serie von Bürgerinitiativen gestartet, die durchwegs gegen die Lebensqualität von Stadtbewohnern bedrohende Straßenbauprojekte gerichtet sind. In allen Fällen können von den Betroffenen bessere Lösungen angeboten werden, die allerdings mehr Geld kosten. Die Bevölkerung ist jedoch der Ansicht, daß das Wohlbefinden und die Gesundheit der Menschen bei allen Planungen vor wirtschaftlichen Überlegungen Vorrang haben müßten. Nicht für Autos solle geplant werden, sondern für Menschen, argumentiert man.

„Landesvater“ Wallnöfer spielt in diesem permanenten Trassenkrieg den verständnisvollen Vermittler zwischen der verunsicherten Bevölkerung und den Bauherren beziehungsweise Finanziers. Man muß ihm zugute halten,' daß er es dabei keineswegs bei schönen Worten bewenden läßt, sondern sich tatkräftig für die Durchführung menschenfreundlicher Varianten einsetzt.

So gelang es den Bewohnern der

Innsbrucker Mittelgebirgsorte Igls und Vill die von der Stadtgemeinde bereits „endgültig“ beschlossene Iglser Nordumfahrung, die wertvolles Erholungsgebiet zerstören würde, via Wallnöfer ins Wanken zu bringen. Der Landeshauptmann beauftragte einen Ausschuß, die beste Lösung zu suchen.

Neue Hoffnung schöpft auch die „Bürgerinitiative Holzhammerbrük-ke“. Auch diese Straßenverbindung im Westen Innsbrucks würde die Lebensqualität eines ausgedehnten Wohngebietes katastrophal verschlechtern.

Die Notwendigkeit einer Verbindung Höttingerau-Südring wird von der Bürgerinitiative, die sich auf 6000 Unterschriften stützt, nicht bestritten, wohl aber das von der Sadtverwaltung vorgesehene Projekt einer Hochstraße mit Rampen, die unmittelbar an Wohnhäusern vorbeiführen. Lärm und Abgase würden das Leben in diesen Häusern, in denen allein entlang der Holzhammerstraße 2000 Menschen wohnen, unerträglich machen. Grünanlagen, die Kindern, Müttern und alten Leuten als Erholungsraum dienen, verlören ihren Wert. Weiters würden die höhere Technische Lehranstalt, ein Kindergarten, ein Heim für Schwesternschülerinnen und zahlreiche andere Objekte schwer in Mit-

leidenschaft gezogen. Darüberhinaus würde der Südring, wo die Situation für 8000 Anrainer heute bereits unzumutbar ist, noch zusätzlich belastet. Die Argumentation der Stadtverwaltung, daß die Holzhammertrasse seit Jahrzehnten im Ver-baiuungsplan enthalten sei und die dortigen Bewohner davon gewußt haben müßten, ist völlig unrealistisch, ja geradezu unmenschlich. Die Situation hat sich eben grundlegend geändert. Tatsache ist, daß heute tausende Menschen dort wohnen und ein Recht auf erträgliche Lebensbedingungen haben. Projekte, die den Bewohnern zum Schaden gereichen, dürften zur Ausführung überhaupt nicht in, Erwägung gezogen werden. Die „Bürgerinitiative Holzhammerbrücke“ schlägt die einzig richtige Lösung vor: Untertunnelung. Hochstraßen sind heute ohnehin schon überholt. In Amerika beginnt man diese Produkte technischer Verirrung bereits wieder abzureißen. So sollte man hier nicht die Fehler anderer stumpfsinnig wiederholen — nur weil es billiger kommt. Auch die Argumentation, diese Straßenbauten müßten bis zur Winterolympiade 1976 fertig sein, ist nicht stichhältig. Es wäre purer Wahnsinn, wegen einer Olympiade das Geld in unzulängliche Vorhaben zu pulvern.

Es ist daher erfreulich, daß der Tiroler Landeshauptmann die Problematik solcher Planungen erkannt hat und offensichtlich bemüht ist, menschliche und zukunftsorientierte Regelungen zu erreichen.

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