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„Park-and-Gö“

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Wien hat ein Parkgaragenkonzept. Es wird in Ausstellungen gezeigt und von Rathauspolitikem erwähnt Es besteht aus einem Stadtplan von Wien, auf dem die bestehenden und geplanten Parkgaragen bunt aufgemalt sind. Doch es wurde — obwohl es schon seit Jahren existiert — noch nicht dem Gemeinderat vorgelegt und ist also keineswegs beschlossene Sache. Und das ist gut so, liegen doch einige dieser Standorte mitten in den Gebieten der Wiener City, die einmal Fußgängerzone werden soll…

Schon heute ist die Vision der autofreien Innenstadt nicht mehr mit den Realitäten vereinbar. Die Gemeinde Wien hat gegen die Errichtung der Tiefgarage Am Hof und gegen den Parkturm am Neuen Markt vor Jahren keinen Einspruch erhoben und in Kürze wird auch die Tiefgarage neben dem Stephansdom fertig sein. Eine totale Sperre der Innenstadt würde also nach dem derzeitigen Stand der Dinge mindestens 1500 Garagenplätze lahmlegen. Weitere derartige „Anziehungspunkte" innerhalb des Ringes sind geplant:

• unter dem Heldenplatz,

• unter dem Rudolfsplatz,

• imter dem Luegerplatz,

• unter dem Morzinplatz,

• unter dem Albertinaplatz,

• unter dem Cochplatz.

Wenn diese Garagen erst fertig sind, wird der Ring nicht nur die stadtauswärts führenden Radialstraßen verbinden, sondern auch die Verteilerfunktion für die Parkgaragen der City übernehmen müssen. Selbst als Ednbahn wird der Ring diese zweifache Aufgabe nicht reibungslos bewältigen können. In den USA wurde das „Park-and-Ride-System" erfunden, das heute auch in vielen europäischen Großstädten die Bewährungsprobe abgelegt hat: Noch vor den neuralgischen Verkehrsknotenpunkten wurden an den S- oder U-Bahn-Stationen großzügig Parkplätze oder Parkgaragen errichtet und die Kraftfahrer werden dadurch animiert, für den Rest des Weges ein leistimgsfähig?s öffentliches Verkehrsmittel zu be nützen, so daß ihnen das Verkehrschaos und die Parkplatzsuche in der City erspart bleiben. Nach der bisherigen „Parkraumplanung" in Wien scheint man sich aber für einen „wienerischen" Kompromiß entschieden zu haben: für ein „Park-and-Go-System", dessen Systemlosigkeit eine Reihe von Konsequenzen heraufbeschwört: der Kraftfahrer wird in die innerstädtische Verkehrsmühle gezwungen, hat dort die Wahl unter einem trotz allem völlig unzureichenden Angebot an Parkfiächen und legt den Rest des Weges zu Fuß zurück, weil er ja die öffentlichen Verkehrsmittel dann nicht mehr braucht

Besteuerung?

Auf das hartnäckige Festhalten an diesem Schildbürgerstreich deutet auch die bisherige Wiener S- imd U-Bahn-Planung hin: Weder an den bisher gebauten Schnellbahnstatio-nen noch an den künftigen Endstellen des (ohne Stadtbahnstrecken) ohnedies nur knapp elf Kilometer langen U-Bahn-Grundnetzes hat man für Parkraum vorgesorgt. Vor Jahrai hat das Rathaus fünf Beamtenkommissionen eingesetzt, die sich mit allen rechtlichen und praktischen Problemen des „ruhe den Verkehrs" befassen sollten. Bisher aberljat- msaV’^erst’ von einem konkreten Ergebnis einer einzigen dieser Kommissionen gehört: Von der Absicht, das Parken in den dichtverbauten Stadtteilen in irgendeiner noch nicht festgelegten Form zu besteuern.

Die bisherige Bautätigkeit auf dem Garagensektor widerspricht also den ursprünglichen städtebaulichen Vorhaben; die Parkraumplanung — soweit vorhanden — widerspricht der in anderen Städten bewährten Ver-kehrsvemunft; umfassende Konzepte hat man bisher für entbehrlich gehalten; doch eines weiß man im Wiener Rathaus schon ganz genau: Man will für das Parken auf öffentlichen Verkehrsflächen Geld kassieren! Nichts gegen Parkometer, bezahlte Parkkarten und was es sonst noch für Arten der Besteuerung des „ruhenden Verkehrs" gibt: Für den heißbegehrten, aber eng begrenzten Parkraum in der City wird man Opfer bringen müssen. Sicher aber ist die „Bewirtschaftung" des bestehenden Parkraumes, die ja überdies nur die finanzschwachen Autofahrer trifft, kein Ersatz für ein Parkraumkonzept und kein Schutz vor kostspieligen Fehlinvestitionen.

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