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Peru ist bankrott

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Präsident Alberto Fujimori, der Ende Juli sein Amt an- trat, hat in Peru den Ausnah- mezustand erklärt. Das Land ist wirtschaftlich verwüstet, und daran ist nicht nur die Guerilla schuld.

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Präsident Alberto Fujimori, der Ende Juli sein Amt an- trat, hat in Peru den Ausnah- mezustand erklärt. Das Land ist wirtschaftlich verwüstet, und daran ist nicht nur die Guerilla schuld.

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Das Entwicklungspotential Perus war und ist beträcht- lich: 22 Millionen Menschen auf 1,3 Millionen Quadratkilometern, eine fischreiche Küste am Pazifik, fruchtbare Bewässerungstäler in den Costa-Wüsten, andinische Hochlandschaften mit reichen Mi- neralienvorkommen (Kupfer, Zink, Blei, Gold, Silber), ausgedehnte Ko- lonisationsgebiete, Erdöl im Ein- zugsgebiet des Amazonasoberlauf.

In den frühen sechziger Jahren entzündete denn auch der Archi- tekten-Präsident Belaunde Terry mit der Idee einer Straßentrasse entlang der unwegsamen östlichen Andenhänge zur Erschließung der brachliegenden Schätze die Phan- tasie der europäischen Entwick- lungspolitiker. Damals nahmen viele an, Peru würde als erstes Drit- te-Welt-Land Südamerikas den Sprung in die Entwicklung schaf- fen. Heute ist Peru bankrott.

Die allgemeine Dritte-Welt-De- batte führt die vertrauten Argu- mente an: Perus Randlage, Mono- produkte, heterogene Bevölkerung (mit starken Indianerkulturen au- ßerhalb der Geldwirtschaft), star- ke Mängel der Infrastruktur.

Ein zweiter Erklärungsversuch befaßt sich mit der Entwicklung der traditionellen Ausfuhrproduk- te: Kupfer und andere Mineralien verloren zunehmend ihren strate- gischen Wert und sackten deshalb preismäßig ab; der Intensivfisch- fang hatte wegen der Reduktion der Fischbestände dramatische Verringerungen in der Fischmehl- Produktion zur Folge; Erdöl konn- te nie in Mengen gepumpt werden, die für den Export ins Gewicht fie- len.

Ein unkonventioneller Erklä- rungsversuch für volkswirtschaft- liche Pleiten zieht die Häufigkeit im Wechsel von Ideologien, auf deren Grundlage wirtschaftspoli- tische Korrekturen angebracht werden, heran.

Im Falle Peru gab es folgende Pendelausschläge:

• In den sechziger Jahren, als Prä- sident Belaunde Terry zum Vor- zugsschüler der „Allianz für den Fortschritt" aufrückte und insbe- sondere nordamerikanische Ent- wicklungsgelder ins Land flössen, herrschte jene Art von „etatisti- scher Marktwirtschaft" vor, wie sie das cepalinische Denken (CEPAL ist die Wirtschaftskommission der UNO für Lateinamerika mit latein- amerikanischen Denkern) vorgab. (Dabei entstand ein Unternehmer- typ - nicht nur in Peru -, der nur mit staatlichen Subventionen zu pro- duzieren imstande ist.)

• 1968 setzten Offiziere - empört über die neuen Erdölverträge mit einer Exxon-Tochter - den demo- kratisch gewählten Präsidenten ab und begannen ihre eigene nationa- le Revolution, die später als „pe- ruanischer Nasserismus" bezeich- net worden ist. Die Marktwirtschaft wurde zugunsten eines zentralpla- nerischen Nationalismus eliminiert.

• 1975 versandete das Experiment, aber die Offiziere brauchten fünf für die Volkswirtschaft teure, weil Jahre des Treibenlassens, um wie- der Zivilisten an die Regierung zu lassen. Im allgemeinen Verschleiß kam wieder Belaunde Terry ins Präsidentenamt. Er predigte zwar Marktwirtschaft, erreichte aber nichts, weil niemand die Bürokra- tie stutzte.

• Die letzten fünf Jahre trugen die unselige Handschrift des APRA- Sozialdemokraten Alan Garcia, der mit bestechendem Charisma be- gann, aber zwischen Markt und Staat keinen Weg fand und zuletzt überfallsartig, aber erfolglos eine Bankenverstaatlichung versuchte. Auch der eigene Weg der Formel „Zehn Prozent" (Schuldendienste lediglich mit zehn Prozent der Exporteinnahmen zu bedienen) von Alan Garcia brachte dem Land mehr Kosten als Gewinn.

Nun kommt der „Japaner" Al- berto Fujimori an die Reihe. Er hat den Vorteil, ganz außerhalb der peruanischen Fehden um den je- weiligen Entwicklungsweg zu ste- hen. Marktwirtschaft erscheint ihm erstrebenswert, aber ein straffes Programm existierte auch in sei- ner Wahlplattform „Cambio 90" nicht.

Fujimori hat immerhin ein Ver- sprechen wahrgemacht, die „con- certation": In seinem Kabinett sitzen Vertreter aller wichtigen Rechts- und Linksgruppieruhgen ebenso wie eine Frau und Vertreter des Militärs.

Aber schon haben diese Gruppie- rungen ihn wissen lassen, das heiße noch lange nicht, die entsprechen- den Parteivertreter würden im zersplitterten Kongreß die Regie- rung unterstützen.

Niemand hat eine Idee, wie man die gewaltigen staatsbürokrati- schen Apparate und Planungsäm- ter kappen kann, um produktivi- tätsorientierten Unternehmern eine Chance zu geben.Und niemand hat eine Idee, wie man mit der Radika- lität des „Sendero Luminoso" fer- tig werden soll. .

Der latente Bürgerkrieg, den die- se Indianer-Guerilla führt, kostet enorme Summen.

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