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Priester als Journalisten

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„Geheimnis der Auferstehung" hieß ein Beitrag von P. Focke in Nr. 14, der auch „pastorale Redseligkeit" aufs Korn nahm. Nun schießt ein Pfarrer zurück: eine wichtige Diskussion

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„Geheimnis der Auferstehung" hieß ein Beitrag von P. Focke in Nr. 14, der auch „pastorale Redseligkeit" aufs Korn nahm. Nun schießt ein Pfarrer zurück: eine wichtige Diskussion

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Also los: rollen wir den Stein weg, entdecken wir das Geheimnis der Auferstehung! Ich will gerade darangehen, setze deshalb meine Brille auf und stolpere schon über einen Stein. Der aber stammt nicht vom Ostergrab, sondern von einem bekannten Theologen. Der Artikel, über die Möglichkeiten, Leiden und Tod durch Liebe zu überwinden, beginnt nämlich mit einer Journalistenbeschimpfung spezieller Art, die ihrerseits aus einem Buch mit dem Titel „Mysterium Salutis" („Geheimnis des Heils") entstammt und von Hans Urs von Balthasar verfaßt wurde.

Da heißt es zunächst in einem brillanten Wortspiel: nicht, was ankommt, sondern worauf es ankommt, sei wichtig. Und was ist das, was ankommt? Antwort:

„Was ankommt, gehört zur Unterhaltungsindustrie, gehört zum attraktiven Betätigungsfeld der Journalomanen und cleveren Medienapostel. Auch Kleriker meinen, kräftig mitmischen zu müssen, um nicht hinter der Zeit zurückzubleiben. Man wählt sie in Kommissionen und Komitees..., läßt sie in Rundfunk und Fernsehen auftreten. Sie werden verheizt und lassen sich verheizen. Horizontale Betriebsamkeit, ähnlich der Firmenwerbung, statt vertikaler Besinnung."

Kein Wunder, daß Balthasar mit seiner Bemerkung postwendend ins Schußfeld „dieser Aktivisten pastoraler Redseligkeit" geriet, wie der Autor P. Alfred Focke bemerkt. Ich weiß zwar nicht, welche Brüder aus dem Sektor der pastoralen Redseligkeit den Theologen Hans Urs von Balthasar in den Hinterhalt gelockt und unter Feuer.genommen haben, diesmal aber bin ich es, der mit voller Schreibmaschine auf ihn feuert.

Denn so viele Thesen sich in den Bemerkungen Balthasars finden, so viele Vereinfachungen und Irrtümer beinhalten sie.

1. Es stimmt einfach nicht, daß „nicht, was ankommt, sondern worauf es ankommt", die Frage sei. Die Frage des pastoralen Journalismus ist vielmehr, wie formuliere ich das, worauf es ankommt, so, daß es ankommt? Es ist keine Schande, Geheimnisse des Glaubens verständlich darzubieten, solange dies nicht im Zungenschlag der Kolportage erfolgt.

Von Erwin Ringel stammt die scharfsinnige Bemerkung, die Kirche leide an einer Art Prof ilie-rungsneurose, indem sie nachgerade beunruhigt sei, wenn sie Thesen formuliert, die die Zustimmung der Menschen finden, und daß diese Beunruhigung erst dann weiche, wenn von ihr Gesetze ersonnen werden, die von den Menschen abgelehnt werden müssen; erst dann scheine sie die Gewißheit ihrer Mission zu gewinnen: Zeichen zu sein, dem widersprochen wird!

Natürlich wurde auch Jesus widersprochen. Viele fanden seine Wahrheiten zu hart. Aber er war eben auch ein Meister der einfachen und klaren Formulierung tiefer Wahrheiten, sonst hätten ihn die einfachen Leute seiner Heimat gar nicht verstanden. Und er war keineswegs traurig, wenn ihm diese Menschen scharenweise nachgefolgt sind.

2. Ist es wahr, daß die Kleriker im Fernsehen, Rundfunk und in den Zeitungen nur deshalb mitmischen, weil sie „nicht hinter der Zeit zurückbleiben" wollen? Ist es eine Sünde, wenn man nicht hinter der Zeit zurückbleiben will? Noch mehr: ist es eine Tugend, hinter der Zeit zurückzubleiben?

Jahrzehntelang klagte man über die Ghettosituation der Kirche und ihrer Verkündigung. Nun gibt es Intendanten und Zeitungsherausgeber, die — ganz gleich, aus welchen Motiven — ihre „Kanzeln" zu Verfügung stellen, vor denen nicht sonntägliche zwei-oder vierhundert, sondern gleich hunderttausende Menschen versammelt sind. Ist das prinzipiell schlecht?

3. Nebenbei gesagt: Ist das Leitwort des großen Papstes Johannes XXIII. vom „Aggiornamen-to", worunter er die zeitgemäße Neuformulierung der biblischen Wahrheiten verstanden hatte, schon wieder soweit vergessen, daß der, der nicht hinter der Zeit, daß heißt den Problemen der Menschen von heute, zurückbleiben will, schon als suspekt gilt? Um mit Karl Rahner zu sprechen: auch ein Zeichen des Winters in der Kirche?

4. Ich habe mich noch nie von Verlegern, Medienverantwortlichen oder Zeitungsherausgebern verheizt gefühlt, habe mich auch nicht verheizen lassen und glaube das auch von den Kollegen nicht. Was mich betrübt, ist vielmehr, daß in weiten Kirchenkreisen die publizistische Tätigkeit eines Priesters als eine „Nebenbei"-Angelegenheit betrachtet wird, als Hobby, und nicht als das, was es ist: Charisma, Gabe und Aufgabe.

Wir reden zwar viel von den Charismen. Wo sie aber da sind, da werden sie vielfach als Nebenprodukte des persönlichen Ehrgeizes, nicht aber als Gaben des Geistes verstanden und geschätzt. Schon gar nicht, wenn der Priester-Journalist im Sinne der Konzilskonstitution „Kirche und Welt" (Punkt 43) auch einmal „unerbittliche" Kritik an der Kirche selbst übt!

Dann heißt es schnell: Der soll lieber beten! Und im übrigen: Wie schafft der Kerl das alles? Wahrscheinlich vernachlässigt er seine Gemeinde, indem er seinem publizistischen Hobby frönt!

5. Reden wir auch vom Neid! Es ist ein alter Hut, daß diejenigen, die zwar in ihrem Spezialfach sehr genau wissen, worauf es ankommt, aber dies nicht so formulieren können, daß es auch ankommt, schon immer einen Neid gegen diejenigen verspürten, die plastisch und deutlich formulieren können.

Journalismus als Kunst, schwierige Probleme einfach zu formulieren, wird in manchen Kreisen nachgerade als Schimpfwort gebraucht, Journalisten werden als die schrecklichen Vereinfacher schlechthin betrachtet. Allerdings tragen zu diesem Ruf auch die Journalisten selbst bei.

Zuletzt noch ein konstruktiver Vorschlag: Wie wär's, wenn wir den christlichen Journalismus mehr schätzen lernten und auch das Talent des Priester-Journalisten als Gabe und Aufgabe des Gottesgeistes anerkennen wollten? Auch dann, wenn sich diese publizistische Tätigkeit nicht nur auf kopfnickendes Jasagen beschränkt? Ich glaube, daß die Anerkennung, Förderung und gesprächsbereite Auseinandersetzung mit diesem wichtigen Bruderdienst in der Kirche auch ein Zeichen der Hoffnung wäre.

Der Autor ist Pfarrer in Reisenberg (Niederösterreich)

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