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Protektion abgeschafft

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Die Steiermark geht völlig neue Wege, um die Landeskrankenhäuser ohne Abstriche vom medizinischen Versorgungs-Niveau wirtschaftlich effizienter als bisher zu führen.

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Die Steiermark geht völlig neue Wege, um die Landeskrankenhäuser ohne Abstriche vom medizinischen Versorgungs-Niveau wirtschaftlich effizienter als bisher zu führen.

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Wenig bemerkt von der Öffentlichkeit vollzog sich zum Jahreswechsel eine Strukturreform des Krankenanstaltenwesens, welche in dieser Größenordnung einmalig in Europa sein dürfte. Die 21 Landeskrankenanstalten wurden aus dem Bereich der Steiermärki-schen Landesregierung ausgegliedert und in die neue Steier-märkische Krankenanstalten

GesmbH übertragen. Diese ist mit rund 10.000 Mitarbeitern und fünf Milliarden Jahresumsatz der größte private Arbeitgeber der Steiermark. Mit knapp über 9000 Betten ist sie die größte private Krankenanstaltengesellschaft Europas.

Den steirischen Politikern wurde frühzeitig klar, daß Krankenhäuser nicht wie Behörden verwaltet werden können, sondern effiziente medizinische und betriebswirtschaftliche Führung eine Struktur erfordert, die mit der eines Industriekonzernes vergleichbar ist. Die erheblichen Systemmängel, daß nämlich 11 Ämter der Landesregierung, unterschiedlichen Parteien zugeordnet, für die betrieblichen Belange der 21 Landeskrankenanstalten zuständig waren, sollten beseitigt-werden. Ein weiteres wichtiges Motiv waren Kostensteigerun-

gen, welche seit Jahren oberhalb der Inflationsrate lagen.

Die mit einstimmigem Regierungsbeschluß gegründete Krankenanstalten GesmbH faßt alle betrieblichen Kompetenzen in einer Gesellschaft zusammen. Die Geschäftsführung besteht aus zwei Vorstandsdirektoren mit gemeinsamem Vorstandssekretariat. Ihnen unterstellt sind Direktoren für die Bereiche Personal, Finanzen, Technik und Medizin. Damit wurde erstmals ein eigener medizinischer Direktionsbereich geschaffen, der die kaufmännische und technische Geschäftsführung in den vielfältigen medizinischen Fragen aktiv und hauptberuflich unterstützt. Dem Vorstand direkt unterstellt wur<-den eine Innenrevision und eine Abteilung Krankenanstaltenkonferenz für spezifische überregionale medizinische Strukturfragen.

Obwohl in der Diskussion um die Gründung der neuen Gesellschaft die wirtschaftlichen Aspekte stärker im Vordergrund standen, ist selbstverständlich Hauptziel der Gesellschaft die Aufrechterhaltung des medizinischen Versorgungsniveaus für die Bürger des Landes. Da zu den 21 Landeskrankenanstalten auch die Universitätsklinik Graz gehört, reicht das Einzugsgebiet weit über die Grenzen des Landes hinaus.

Durch eine äußerst restriktive

Investitionspolitik in den letzten Jahrzehnten (das Durchschnittsalter der 21 Krankenhäuser be-• trägt über 70 Jahre!) ist ein Investitionsbedarf von rund vier Milliarden Schilling entstanden. Dem neuen Management wurde vorgegeben, den Zuschuß des Landes für die Aufrechterhaltung der 21 Landeskrankenhäuser auf dem Niveau des Zuschusses des Jahres 1984 einzufrieren.

Um diese zum Teil divergierenden Ziele verwirklichen zu können, hat die Geschäftsführung neue Wege eingeschlagen. So wurden die Ärzte, die die Taktgeber in jedem Krankenhaus sind, durch die Schaffung eines eigenen medizinischen Direktionsbereiches und durch die Bildung einer Krankenanstaltenkonferenz, die die Geschäftsführung in allen wichtigen medizinischen Strukturfragen berät, stärker in die wirtschaftliche Verantwortung des neuen Betriebes eingebunden.

Ein neues Dienstrecht, in langwierigen Verhandlungen mit Ärztekammer und Betriebsräten einvernehmlich verabschiedet, setzt neue Schwerpunkte: Die Neueinstellungen der Gesellschaft (rund 600 pro Jahr) erfolgen in Zukunft auf Basis des Angestelltengesetzes und nicht mehr nach dem Vertragsbedienstetengesetz. Für die neuen Mitarbeiter wurde mit den Betriebsräten eine leistungsbezo-gene Gehaltskomponente vereinbart, die es ermöglicht, besonders

leistungsbereite und leistungsfähige Mitarbeiter zusätzlich zu entlohnen. Das Leistungsprinzip wurde auch auf der Ebene der Führungskräfte konsequent durchgezogen.

So wurden bereits die ersten neuen Primarärzte mit Zeitverträgen eingestellt. Auch die neu anzustellenden Verwaltungsleiter werden Verträge auf Zeit erhalten. Die Nebentätigkeiten der Krankenhausärzte, welche in der Vergangenheit nur anzeigepflichtig waren, sind in Zukunft genehmigungspflichtig und sollen äußerst restriktiv behandelt werden.

Wichtigstes Ziel der neuen Unr-ternehmungspolitik ist jedoch eine Ausklammerung des politischen Einflusses auf Personaleinstellungen. War in der Vergangenheit für jede Personaleinstellung (von der Reinigungsfrau bis zum Primär) ein Regierungsbeschluß notwendig, wurden Einstellungen zum Teil nach der politischen Zugehörigkeit entschieden, so wird in Zukunft jedes Krankenhaus durch ein konkretes Vorschlagsrecht für die Einstellungspolitik selbst verant-

wortlich sein. Von der Geschäftsführung wurde vorgegeben, daß ausschließlich fachliche und persönliche Qualifikation für die Besetzung ausschlaggebend sein darf. Die politischen Interventionen haben sich in den ersten fünf Monaten bereits dadurch erheblich reduziert, daß die Beantwortung von Interventionen der Großparteien jeweils von dem Geschäftsführer vorgenommen wurde, der von der anderen Partei vorgeschlagen worden war.

Auf dem Einkaufssektor wurde durch eine geänderte Einkaufspolitik bereits ein zweistelliger Millionenbetrag eingespart. Die langfristige Einhaltung der gesetzten Ziele wird davon abhängen, wie stark die politischen Entscheidungsträger die notwendigen Vorschlage für medizinische Strukturreformen und wirtschaftliche Anpassungsmaßnahmen mittragen und nicht durch zu starke regionale Einflußnahmen den eingeschlagenen Kurs verändern.

Der Autor ist Vorstands-Vorsitzender der Steiermärkischen Krankenanstalten

GesmbH.

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