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Provisorium endet

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DOMBAUMEISTER KURT STOGERER: Wir sind mit den Restaurierungsarbeiten am Nordturm des Domes im Vorjahr nicht soweit gekommen wie wir wollten, weil die Schäden doch größer waren als ursprünglich angenommen. Beim Albertini- schen Chor, einem der ältesten Teile des Domes, hat man für die Strebepfeiler sehr schlechtes Steinmaterial verwendet, einen Sandstein, einen sogenannten Schleifstein.

Diese Strebepfeiler zeigen an ihren Sichtflächen besonders starke Schäden durch Windausblasungen. Wir können diese schadhaften Steine nicht gegen St. Margarethner Kalksandstein auswechseln, da dies den Gesamteindruck des Domes wesentlich verändern würde. Wir werden daher die schadhaften Steinteile nicht „ausspitzen“ (mit Hammer und Spitzeisen entfernen) und durch St. Margarethner Kalksandstein ersetzen, sondern die lockeren Teile der Steinoberfläche abnehmen und alle offenen Fugen gut mit Mörtel ausstopfen. Eine chemische Behandlung des Steines ist nicht vorgesehen.

FURCHE: Gibt es für diese Vorgangsweise internationale Erfahrungen?

STOGERER: Das Bergbaumuseum von Dortmund beschäftigt sich besonders eingehend mit den’ Problemen der Steinkonservierung. Ich habe unser Vorhaben mit dem Direktor des Institutes besprochen, er hat sich meinem oben genannten Vorschlag angeschlossen. Von dieser vorgesehenen Vorgangsweise habe ich auch das Bundesdenkmalamt informiert.

FURCHE: Für welche Restaurierungsvorhaben wird das Bun- desdenkmalamt einbezogen?

STOGERER: Es werden grundsätzlich alle Arbeiten mit dem Bundesdenkmalamt besprochen. Es besteht ein sehr gutes Einvernehmen zwischen dem Herrn Landeskonservator und mir. Die Werkstätten des Bundesdenkmalamtes helfen uns bei der Restaurierung der gotischen Glasscheiben, der Epitaphien, Plastiken und Fresken, also bei der Erhaltung der künstlerischen Substanz.

Bei den Restaurierungsarbeiten am Stephansdom wird nach den alten Regeln der Steinmetzkunst gearbeitet, das heißt, wir lehnen grundsätzlich die Verwendung von chemischen Konservierungsmitteln ab, sowohl was die Steinverfestigung als auch die Hydrophobierung, das Wasserdichtmachen des Steines, betrifft. Stein ist ein lebender Werkstoff, man kann ihm nicht die Luftzufuhr abschneiden, sonst stirbt er. Die großflächige Verwendung von chemischen Konservierungsmitteln ist besonders problematisch, weil nicht überprüfbar ist, was in 50,60 und 80 Metern Höhe mit dem Stein über Jahre hinweg geschieht.

FURCHE: Welche Restaurierungsvorhaben stehen für die nächste Zeit noch an?

STOGERER: Im Inneren wurde im Vorjahr das Mittelschiff restauriert, heuer werden die Gewölbeflächen des linken Seitenschiffes gemalt und alle Steinteile von Staub und Schmutz befreit. Dies geschah 1948 zum letzten Mal. 1990 kommt das rechte Seitenschiff, das Sakristei-Schiff, an die Reihe. In den Katakomben wird die Domherrengruft erweitert und ein Raum, der unter der oberen Sakristei als Abstellraum fungiert, saniert. Außerdem gehen die Arbeiten am Nordturm weiter.

FURCHE: Was ist mit den Veränderungsplänen für den Hochaltar?

STOGERER: Das ist noch völlig offen—eines steht ziemlich sicher fest, daß am Hochaltar selbst nichts verändert wird.

FURCHE: Welche Überlegungen standen hinter den Umbauplänen für den Hochaltar?

STOGERER: Diese liegen schon sehr lange zurück. Es ist notwendig, eine endgültige Form für den Hauptaltar des Domes zu finden. Der jetzt aufgestellte Volksaltar, der praktisch der Hauptaltar ist, ist ein Provisorium — für ihn soll eine endgültige Form gefunden werden.

FURCHE: Ging der Wunsch von Ihnen als für den Bauzustand Verantwortlichen aus oder von Erzbischof Hans Hermann Groer?

STOGERER: Der Wunsch kam vom Herrn Kardinal, aber es gibt bereits seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil Gespräche darüber.

FURCHE: Seit wann existiert der Volksaltar?

STOGERER: Der Volksaltar in seiner heutigen Form ist eine zweite Variante, bei der auch die beiden Seitenaltäre angehoben wurden.

FURCHE: Wie könnte der Volksaltar aussehen? Gibt es

Blick auf den Volksaltar von .St. Stephan (Foto Dombauhütte)

Wünsche oder Vorschläge des Erzbischofs?

STÖGERER: Da gibt es noch keine konkreten Vorstellungen.

FURCHE: In welche Richtung könnten die Vorstellungen gehen?

STÖGERER: Der endgültige Altar wird nicht die gleiche Form haben wie das Provisorium des derzeitigen Volksaltars, er wird jedoch auf dem gleichen Platz wie dieser stehen, aber um eine Stufe tiefer. Dadurch wird der Raum um den Altar größer. Die Sicht auf den Altar ist dadurch nicht beeinträchtigt.

FURCHE: Welches Material wird für den Altar verwendet?

STÖGERER: Der Altar wird sicher aus Steinmaterial hergestellt werden, ob aus Marmor oder aus Kalksandstein, ist noch nicht entschieden. Sicher wird der jetzige Hochaltar nicht angetastet. Es war zunächst daran gedacht, den Hochaltar, also die alte Altarplatte und die vier Säulen des Altartisches, nach vorne zu versetzen. Diese Überlegungen wurden jetzt wieder zurückgestellt. Es werden mehrere Entwürfe ausgearbeitet, die dem Herrn Erzbischof zur Entscheidung vorgelegt werden.

FURCHE: Gibt es einen Termin für diese Umbauten?

STÖGERER: Nein, sobald eine endgültige Lösung feststeht, wird sie durchgeführt.

FURCHE: Hängt dies auch von den zur Verfügung stehenden Mitteln ab?

STÖGERER: Ein solcher Umbau des Hochaltares würde nicht viel kosten. -*

FURCHE: Würde sich also für den Kirchenbesucher der Eindruck nicht ändern?

STÖGERER: Es kommt zu keinen gravierenden Änderungen.

Mit Dombaumeister Kurt Stögerer sprach Leonore Rambosek.

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