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Meister Hanns Puchspaum

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In der kunstgeschichtlichen Buchreihe des Kunstverlages Wolfrum hat B r u n o Grim- sc h i t z eine ausgezeichnete Arbeit über Hanns Puchspaum erscheinen lassen, die diesen Großen in der Reihe der Wiener Dombaumeister in seiner überragenden Bedeutung für die gotische Baukunst uns nahebringt. Nur ein Meister vor ihm kann ja Puchspaum als ebenbürtig zur Seite gestellt werden, jener geniale Michael Knab, der in den Urkunden als „Michael, der Herzoge von Österreich Baumeister“, aufscheint und dem neuere Forschung das Konzept zum Stephansturm und zu den Westkapellen des Domes zuschreibt. An seine Pläne hatten sich die nachfolgenden Meister gehalten bis auf Hanns Puchspaum. Dieser aber war es, der als Vollender unseres Domes ihm innen und außen das letzte Gepräge gab und dessen hohes An-

sehen vielleicht nichts so sehr bezeugt, als daß seine silbernen Zeichengeräte noch Jahre nach seinem Tod in der Wiener Dombauhütte als kostbare Erinnerung aufbewahrt wurden.

Über das Leben des Meisters berichten zwar nur wenige Urkunden, doch spricht sein zeichnerisches Werk eine um so beredtere Sprache. Es erliegt in jenem einzigartigen Schatz von originalen gotischen Grund- und Aufrissen, „Visierungen“ derWiener Bauhütte, den heute die Bibliothek der Akademie der bildenden Künste und das Archiv der Stadt Wien verwahren. Unter diesen stammen gegen 400 Zeichnungen von der Hand Puchs- paums, von denen die wichtigsten nunmehr in guten Abbildungen weiteren Kreisen erschlossen werden.

Die selbständige Tätigkeit unseres Meisters setzt mit dem Bau der 1434 gestifteten Puch heim-Kapelle in der Norwestecke des Domes ein. Es ist dies jener reizvolle sterngewölbte Altarbaldachin neben der Tirnakapelle, dessen Visierung von Puchspaum stammt. War es bisher schwer erklärlich, warum dieser luftige Baldachin mit seiner zarten Maßwerkbekrönung auf schlanken Säulen in den Stiftungsurkunden als „Kapelle“ bezeichnet wurde, so scheinen die letzten bei den Wiederherstellungsarbeiten im Dome durchgeführten Grabungen die Erklärung zu bringen. Fundamente um den Baldachin lassen erkennen, daß dieser von einer heute nicht mehr erhaltenen Mauer kapellenartig umgeben war, die wir uns wohl von reichem Maßwerk unseres Meisters durchbrochen oder umsponnen denken müssen.

Als die Puchheim-Kapelle entstand, waren die Langhaus wände des Domes bereits bis zum Dachsaume emporgewachsen. Sie wurden von Puchspaum mit großen Giebeln über den Doppelfenstern bekrönt, deren westlichsten an der Südwand, den sogenannten „Fried- richsgiebel“, der Meister selbst noch mit schönem Maßwerk nach dem Vorbilde der entsprechenden Giebel des Hochturmes schmückte. Durch Vergleichung dieser Formen und des Aufrisses Puchspaums aber erkennen wir die stilistischen Fortschritte und die persönliche Handschrift unseres Meisters.

Im Innern des Langhauses sind die Mittelschiffpfeiler bereits das Werk Puchspaums, der sie gegenüber den Bündelpfeilern des 1340 geweihten Chores mit ihrem weichen Stil schnittiger und grätiger profilierte. Die Figurenbaldachine an den Langhauspfeilern aber wurden verdreifacht, gestaffelt und feinteiliger gegliedert.

Puchspaums bedeutendste technische und künstlerische Tat aber ist die Wölbung des Langhauses in achtteiligen Rautensternen und geknickten Reihungen statt der Kreuzrippengewölbe des Chores unter gleichzeitiger Überhöhung des Mittelschiffes. Damit hat Puchspaum aus heimischen Wurzeln die für spätere Kirchenbauten vorbildliche Staffelkirche, die größte ihrer Art, mit ihrer eigenartigen Raumwirkung geschaffen. Um sechs Meter ragt das durch keine eigenen Fenster erleuchtete Mittelschiffgewöhe über die hell belichteten Seitenschiffwölbungen. Die dadurch geschaffene dunklere Zone, deren Wirkung die Romantik als mystisch bezeichnete, zieht die Blicke der Gläubigen in verdämmernde Höhen empor.

Auch beim unausgebauten Nordturm der Stephanskirche, der nach dem Entwurf von Hanns Puchspaum, „des gepaus rechter pau- malster“, als dessen Hauptwerk begonnen wurde, kann man durch Vergleichung mit dem ausgebauten Südturm und den zahlreichen Baurissen des Meisters seine persönliche, mehr auf das Malerische als auf das Tektonische gerichteten künstlerischen Absichten schließen. Ihnen ordneten sich die nach dem 1455 verstorbenen Puchspaum folgenden Dombaumeister unter, ohne jedoch den Turm vollenden zu können.

Bei dem Vorhallenbau zum südlichen Singertor ebenso wie bei dem „Fü(hsl“-Ba dachin in der Südostecke des Langhauses, der mit einer Orgelempore und einem zu ihr führenden Treppentürmchen kombiniert wurde, konnte unser Meister, durch keinerlei Vorbilder behindert, seiner Phantasie freien Lauf lassen. Die wunderbaren Verschlingungen von Mehrpässen, krabbenbesetzten Kielbogen und Blendmaßwerk treffen wir auch an der Stirnwand der West- (Orgel-) Empore, die ebenfalls Puchspaum entworfen hat.

Auch außerhalb Wiens sollten die Wiener Bauhütte und ihr Meister Puchspaum Bedeutendes schaffen, so den Umbau der Wiener Spinnerin am Kreuz, die große Pfarrkirche von Steyr und die reizvolle Zapolya- Kapelle in Donnersmark, Ungarn. Die erhaltenen Visierungen Puchspaums beweisen die Autorschaft des Meisters auch an den für ihn charakteristischen, besonders das Kielbogenmotiv auswertenden Einzelheiten. Den Grundriß und Aufriß eines reichgegliederten Profanbaues, den man bisher für älter hielt, schreibt Grimschitz in schlagender Beweisführung Puchspaum zu und denkt dabei an einen nicht ausgeführten Plan für einen Umbau des Wiener Rathauses.

Diese Bauten legen auch den örtlichen Umkreis der Wiener Bauhütte im Westen und Osten fest, die speziell durch Puchspaums Wirksamkeit zu einer der vier Haupthütten des deutschen Kulturbereiches aufgerückt war. Nach Puchspaum sollte ihm nur em Dombaumeister, Anton Pilgram, 'an schöpferischem Gedankenreichtum nahekommen, dessen Wirksamkeit aber auf wenige Bauteile, Kanzel und Orgelfuß, beschränkt blieb. Der österreichischen Spätgotik des 15. Jahrhunderts und darüber hinaus hat Puchspaum den künstlerischen Stempel aufgedrückt.

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