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Schwarzzinsfuß-Indianer

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Durch die dämmernden Steppen der Stadtparkprärie bläst der kühle Monsun und kräuselt die grünschillernden Fluten des Wien-Rivers. Ein schwarzes Kanu gleitet heimlich das Ufer entlang. Ihm entsteigt eine Gruppe verwegener Krieger aus dem Stamme der Schwarzzinsfuß-Indianer.

Im Schatten eines schützenden Paragraphendickichts bewegen sie sich gewohnheitsgemäß schleichend vorwärts, bis zum Fuß des schroffen Felsens, wo bewährte Gewehrsmänner sie erwarten, die ihre Schrott-Flinte noch lange nicht ins Korn geworfen haben.

„Hugh - nicht einen Tippel billiger!” tönt ihr Kriegsgeschrei. Kühn blicken sie empor zum steilen Gipfel. Sie schreckt keine Höhe, wenn es Preise gut!

„Hands up!” Drohend klingt plötzlich die Stimme des Wirt-schafts-Sheriffs an ihre Ohren. Der Abgesandte des großen weißen Vaters hält auf dampfendem Amtsmustang vor ihnen, flankiert von einigen Trappern, die soeben ihre Falle gestellt haben. „Ihr schleicht auf verbotenem Kriegspfad”, beginnt der Sheriff sein Verhör. Der Anführer der Indianer erbleicht.

Da stürzen blitzschnell zwei der Gewehrsmänner von hinten herum auf den Beamten zu und versuchen, ihn mit gezückten Skalpmessern meuchlings zu bestechen. Aber zu spät - im Herbeigaloppieren wurde zu viel Staub aufgewirbelt. Das Gesetz muß seinen Lauf nehmen. Man schleift die Schuldigen fort zum Marterpfahl.

Verlassen schaukelt das Kanu auf den trüben Wellen. Seine Insassen sind wohl schon längst aus dem Wasser, dafür sitzen sie in der Tinte. Ein vereinzelter Passant schlendert durch die Abenddämmerung und probiert vergeblich, eine Friedenspfeife in Brand zu stecken. Aber der Wind ist dem Vorhaben ungünstig.

Die Kavalkade des Sheriffs nähert sich hufklappernd dem Marterpfahl, an den soeben laut Prangerüste das erste Opfer gebunden wird. Jammernd tönt das Protestgeschrei des Ärmsten durch den Blätterwald.

Da kommt atemlos ein Eilbote des Häuptlings dahergesprengt: „Haltet ein! Er gehört zu dem uns befreundeten Stamm der Kartel-üten! Laßt ihn frei!” Verblüfft löst die Bande seine Bande, worauf er sich rechtzeitig in die Busche schlägt...

Aus dem großen Regierungs-Wigwam huscht einer der neugewählten Stammesältesten, um dem heimischen Lagerfeuer zuzustreben. Er tritt dabei nach altem Kriegsbrauch sorgfältig in die Fußstapfen seines Vorgängers, ängstlich bemüht, jede Spur zu verwischen.

Daneben steht das umbrochene Zelt des Pressehäuptlings. Stolze Schmuckfedern zieren dessen Skalp, aber sie imponieren niemand. Denn jeder weiß, daß es fremde Federn sind, mit denen er sich schmückt.

Der Hauptpfad des Sirk führt ins nächtliche Herz der Siedlung. Er wira zu beiden Seiten von kleineren Wigwams flankiert, in denen Feuerwasser feilgeboten wird. Hier hausen die wilden Stämme der Sambas und Kongas mit ihren gefürchteten Kriegstänzen.

Junge Squaws in bunter Kriegsbemalung hocken in zierlichen Lederstrümpfen und fersenfreien Mokassins auf hohen Stühlen. Sie sind Heilkräutersammlerinnen. Und wenn sie einen besonders scharfen Kren oder eine verheißende Würzen gefunden haben, tönt ihr Siegesgeheul bis hinaus auf den dunklen Weg der Prärierosen.

Rothäutige Jünglinge und rougehäutige Mädchen streben dem Beserlgestrüpp zu, um nächtlich am Busento zu lispeln. Im Schatten einer Platane versuchen zwei emsige Parteikrieger, das Kriegsbeil auszugraben. Es ist aber infolge des Kalten Krieges völlig vereist.

Nun ist es ganz still geworden. Bloß in den Exklusiv-Reservatio-nen schimmert noch Licht.

Zwei Totoiten befragen die Sterne über den Ausgang der Geschehnisse. Sie gehören dem Kult des runden Leders an, über das der allmächtige Gott Toto sein Füllhorn ausschüttet oder versiegen läßt.

Der Mond verbirgt sich schamhaft hinter Wolken. Es wird dunkel. In der Ferne verglimmen die Lagerfeuer.

Hugh — ich habe gesprochen.

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