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Sendeschluß

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Um es gleich vorweg zu sagen: nicht nur die rund 2000 Mitarbeiter der beiden in München stationierten Sender „Radio Free Europe“ und „Radio Liberty“ bangen um ihre Existenz, sondern Millionen von Hörern in Osteuropa um ihre Zukunft, die ohne die Informationen aus diesen Sendern noch freudloser, einförmiger und damit hoffnungsloser sein würde.

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Um es gleich vorweg zu sagen: nicht nur die rund 2000 Mitarbeiter der beiden in München stationierten Sender „Radio Free Europe“ und „Radio Liberty“ bangen um ihre Existenz, sondern Millionen von Hörern in Osteuropa um ihre Zukunft, die ohne die Informationen aus diesen Sendern noch freudloser, einförmiger und damit hoffnungsloser sein würde.

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Wer nach mehrwöchigen Reisen aus Ungarn und Rumänien zurückkommt, weiß um die Bedeutung dieses Fensters, das der Westen seit zwanzig Jahren den Osteuropäern offengehalten hat. Unaufgefordert bezeugen alle Gesprächspartner, welche Fülle von Informationen über ihr eigenes Land und den Westen sie den Sendungen von „Free Europe“ verdanken. Die Fernsehapparate stehen in der guten Stube — die Rundfunkgeräte, oft ältesten Datums, haben sie im Schlafzimmer installiert. Dort hören sie, was ihre eigenen Zeitungen und Sender ihnen verschweigen, verkürzen oder entstellen. Für die Sachlichkeit der Redakteure in München zeugt am ehesten, daß ihre Hörer nicht zu potentiellen Emigranten, sondern zu Bürgern geprägt werden. Ohne diese Kommunikation sind sie lediglich Untertanen.

Beide Sender werden von den USA unterhalten, seit zwanzig Jahren. Die Verantwortung für die Sendungen ist weitgehend an die Redakteure delegiert, von denen 600 Emigranten aus Osteuropa sind. Sie sind nicht auf Publicity erpicht. Die Zeiten sind noch nicht solange vorbei, da Kollegen von ihnen bedroht, erpreßt und entführt wurden. Solange die CDU an der Regierung war, gab es über die Daseinsberechtigung der Sender kaum Meinungsverschiedenheiten zwischen Deutschen und Amerikanern. Der Flüchtlingsstrom aus der DDR genügte im übrigen, um auch die öffentliche Meinung für die Arbeit der Sender einzunehmen. Das hat sich geändert. Die übertriebene Sorge, zu den „Kalten Kriegern“ zu gehören, hat weite Kreise in der deutschen Bundesrepublik erfaßt und findet in Bonner Amtsstellen kräftigen Auftrieb. So wenig die Anwesenheit amerikanischer Truppen stört, so sehr konzentriert sich der Unwille auf die Anwesenheit der amerikanischen Sender.

In jüngster Zeit haben Bonner Ost-Emissäre bei ihren Verhandlungen oft genug Tadel einstecken müssen, daß sie die Lizenz für die Sender erneuert haben. Zeitweilig drohte man sogar, die Olympischen Spiele in München, wo die Zweitausend arbeiten, zu boykottieren. Kaum war es an dieser Front ruhiger geworden, formierte sich eine neue Phalanx. Diesmal in den USA selbst. Seit bekannt geworden war, daß die Gelder für München vom amerikanischen Geheimdienst CIA stammen, spaltete sich die öffentliche Meinung. Die Finanzgarantie der Regierung lief am 26. Februar aus, ein neuer Modus vivendi ist noch nicht gefunden. Eine starke Gruppe von Befürwortern fordert das Repräsentantenhaus auf, die Sender weiter zu finanzieren. Auch der Präsident des Gewerkschaftsbundes, George Meany, gehört zu ihnen. Sein Hauptgegner ist der Senator Fuibright. Was ihn dabei bewegt, bleibt politisch und psychologisch im unerforschlichen Dunkel. Herr Fullbright wird täglich aus einem Dutzend Kanälen mit Nachrichten bestens versorgt. Den Rumänen, Tschechen, Slowaken, Polen und Ungarn wild er die einzige Informationsquelle nehmen. Eine Übernahme des Sendebetriebes durch die deutsche Bundesrepublik erscheint bei der gegenwärtigen ost-politischen Euphorie mehr als fraglich, obwohl sie finanziell kein Problem darstellte. In München verdient man keine Spitzengehälter. Da die deutschen Rundfunkanstalten ohnehin sämtlich öffentlich-rechtliche Einrichtungen sind und München obendrein Sitz eines Senders ist, ließe sich bei gutem Willen eine Übernahme durchführen. Noch aber läßt man sich lieber den Pelz waschen, ohne naß zu werden.

Eine weitere Frage wäre an den Europarat zu richten. Hier wird ja seine eigenste Angelegenheit zur Sprache gebracht: Freiheit, Demokratie, Wahrung der Menschenwürde, zu der nicht am wenigsten Zugänglichkeit der Nachrichten gehört. Nicht zuletzt müßten auch die Neutralen sich fragen lassen, ob sie diese Aufgabe nicht als die ihre mitempfinden — wer Flüchtlinge beherbergt, kann schlechterdings den Menschen hinter Eisernen Vorhängen seine Hilfe nicht verweigern.

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