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So und nicht anders

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So kann und so muß und so sollte man eine Übertragung vom Petersplatz kommentieren: nicht anders, als das Alfons Dalma und Pfarrer Wilhelm Müller bei der Seligsprechung der Ordensgründerin Maria Theresia Ledö-chowska, des Chinamissionars Josef Freinademetz, des Paters Arnold Janssen SVD und des Eugene de Mazenod gelang. Da wurden dem Heiligen Vater nicht, wie dies früher nicht selten geschah, leere klerikale Phrasen unterschoben, sondern Alfons Dalma lieferte die wörtliche Simultanübersetzung der italienischen, französischen, englischen, spanischen und polnischen Sätze, die der Papst sprach. Da wurde nicht, wie dies fast schon unvermeidlich zu sein schien, nachkonziliar über liturgische Probleme herumdiskutiert, sondern Pfarrer Müller bot eine lebendige Schilderung der “Vorgänge und eine unpathetische Charakterisierung der Neu-Kanonisierten. Die wenigen, am Petersplatz immerhin schwierigen und nur mit Teleobjektiv erzielbaren Einstellungen der RAI ließen, getragen von diesem hervorragenden Kommentar, erkennen, was da vor sich ging: diesen Triumph des Österreichischen, das eine von Staatsgrenzen unabhängige, völkerverbindende, friedensbewahrende Geisteshaltung ist, an der zwar nicht alle auf dem zweitrepublikanischen Gebiet Lebenden teilhaben, dagegen aber viele, deren Reisepässe auf eine andere Staatszugehörigkeit lauten. Die Österreicher und Südtiroler, die an diesem Sonntag die Piazza und. die ganze Urbs beherrschten, waren durc^iidifiik Persönlichkeit'a- d# Isedöchowska ihren alten Freun- i den, den Polen, verbunden, durch den Ladiner Freinademetz den Italienern, durch den Rheinländer Janssen den Deutschen, ohne daß Österreichs wahres, nämlich europäisches Wesen dadurch verdunkelt worden wäre, im Gegenteil. Und die auf der Ehrentribüne für Sekundenbruchteile an ihrem Sternkreuzorden erkennbare Kaiserin Zita verband uns alle durch ihre französische Herkunft mit dem seliggesprochenen Mazenod aus Aix-en-Provence. Es war gut, daß die herrschende Neue Klasse unseres Staates durch ihre Abwesenheit peinlich auffiel. Das wirkliche Österreich (die Franzosen sprechen*in solchen Fällen vom „Pays reel“) war durch die Rompilger aus den Bergtälern und Industriestädten, durch die Bischöfe, durch die 82jährige Kaiserin mit den Nachkommen und der Schwiegertochter des Friedenskaisers Karl lebendiger vertreten als selbst Frankreich, das Lecanuet in Person entsandt hatte. Man atmete auf.

PS: So kann und so muß und so sollte man Kafka verfilmen: nicht anders, als das dem Regisseur Jan Nemec in einer Koproduktion des ZDF und des ORF gelungen ist, die wir unlängst spätabends auf die Bildschirme bekamen. Die im Grunde ja nicht darstellbare Wandlung eines Menschen in ein anfangs noch menschenähnliches, dann immer ekelerregendes Insekt, das am Ende als gallertiges Nichts in den Mist gekehrt wird, diese abgründige und verzweifelte Anklage eines als Genius Geborenen und deshalb zum Außenseitertum Verdammten ist vielleicht nur deshalb ein nahezu vollkommenes Filmkunstwerk geworden, weü da viele Tschechen sich zwar der überlegenen Kameratechnik des Westens bedienten, aber eben diverse hochgepriesene Zeitgenossen daran hinderten, sich filmemacherisch-gesellschaftskritisch-pornographisch zu betätigen. Man atmete auf.

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