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Spiegel einer Zeit

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Zwei Namen aus der Geschichte weiß jedes Schulkind in Tirol: Kaiser Maximilian und Andreas Hofer. Sie beide haben dem Land jene Reputation verschafft, mit der sich Politiker auch heute gerne schmücken. Der eine, weil er Tirol zum Zentrum seines Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation machen wollte, der andere, weil er mit seinen Schützen dem mächtigsten Herrscher Europas trotzte. Machtdemonstration von oben und von unten verbinden sich dem Tiroler problemlos zum idealen Geschichtsbild.

Beide Heldenzeiten waren dem Land eine Ausstellung wert, und beide Male blieb als Erinnerung ein stilvoll renoviertes Museum. War es 1969 das Maximilianische Zeughaus in der alten Vorstadt Dreiheihgen, so ist es heuer das klassizistische Hauptgebäude des Landesmuseums Ferdinandeum aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts mit cremefarbener Fassade und halbrundem Zubau an der Rückseite. Letzte Woche, kurz vor den Landtagswahlen, trafen sich Politiker jedweder Couleur, um im 175. Gedenkjahr an den Tiroler Aufstand die Ausstellung „Die tirolische Nation 1790-1820" feierlich zu eröffnen. Sie kann bis zum 14. Oktober besichtigt werden.

Heldenzeiten sind schwer darzustellen. Zumeist hinterlassen sie Blut, Tränen, und Zerstörung. Erst die nachfolgenden Generationen verleihen solchen Epochen den nötigen Glanz.

Dieser Versuchung ist man in Innsbruck erfolgreich ausgewichen. Nicht großen Männern und ihren Schlachten wird gehuldigt, sondern ein Volk wird vorgestellt. Ein Volk, das im Staatsverband der Habsburgermonarchie immer schon ein Eigenleben beansprucht hatte, das wider den Zeitgeist auf seinen religiösen Bräuchen beharrte, das der neumodischen Bürokratie und ihren fortschrittlichen Anordnungen mißtraute, das seihe Verteidigung selbst in die Hand nahm und immer wieder auf sein schon reichlich verkümmertes politisches Mitspracherecht pochte.

An der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert begann nicht nur die wissenschaftliche Entdeckung der weiten Welt, auch die nähere Umgebung erregte Interesse. Künstler und Gelehrte reisten durchs Land und fanden erwähnenswert, was sie sahen. Sie malten die ersten Landschaftsbilder, Gletscher, Schluchten, Wasserfälle, sammelten Volkslieder, beschrieben Trachten, Sitten und Gebräuche. Sie machten die Eigenart, die Eigenständigkeit dieses Landes bekannt. Diesem Bild der tirolischen Landschaft und ihrer Menschen ist der erste Teil der dreiteiligen Ausstellung gewidmet.

Der zweite Teil schildert den Ablauf der kriegerischen Ereignisse zwischen 1796 und 1814. Fast zwanzig Jahre lang wehrten sich die Tiroler gegen fremde Okkupation, über ihr Schicksal aber entschieden andere. Sie blieben nur kleine Steine im politischen Spiel der Großmächte. Aufrufe, Laufzettel, Sendschreiben, Votivta-feln, Schlachtenbilder, Fahnen, Waffen, auch die goldene Ehrenkette des Kaisers für Andreas Hofer und sein dreisprachiges Todesurteil in Mantua illustrieren Siege und Niederlagen.

Der dritte Teil beschäftigt sich mit der Kunst zwischen Spätbarock und Klassizismus. Während Napoleon Europa mit Krieg überzog, orientierten sich die Künstler am Schönheitsideal der klassischen Antike. Edle Einfalt und stille Größe hießen die Ideale auch in Tirol. Nur der absonderliche und begabte Jakob Plazidus Altmutter, der 1819, noch nicht 40jährig, im Inn ertrank, zeichnete, was er sah: die Karnerfamilie, den Bauernmarkt, den Almauftrieb, die Kämpfe am Bergisel, auch Andreas Hof er, einen schwarzhaarigen, vollbärtigen, dicklichen Mann mit roter Nase und grüner Joppe.

Die anderen schufen, von den Nazarenern in Rom inspiriert, heroische Landschaften, edle Porträts edler Menschen, elegische Grabdenkmäler, fromme Andachtsbilder, die noch heute zahlreiche Kirchen und Kapellen schmücken.

Geschichte in Vitrinen ist nicht aufregend, besonders wenn sie einem vom Son-et-Lumiere-Spek-takel verwöhnten Publikum so unprätentiös dargeboten wird Auch lassen sich wichtige historische Zusammenhänge und gesellschaftliche Widersprüche nicht immer bildlich darstellen, aber ein bißchen zu heil ist den Ausstellern das Bild vom Tiroler schon geraten.

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