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Sprengsätze vor der Tür

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Es kracht wieder in Osterreich. Wie in den blutigen Tagen der Ersten Republik. Wer in dem Buch „Gewalt in der Politik” von Gerhard Botz blättert, wird manche Parallelen finden. Sie sollten uns aus dem Tagträum unserer Sicherheit reißen. Die Bomben flattern — seit neuestem als „grüne” Werbeschriften getarnt — in unsere Postkästen. Sie liegen vor unseren Haustüren.

Sprengsätze werden nicht erst seit heute am Haus unseres freien und demokratischen Österreich angebracht. Es gilt sich zu erinnern und die Spur der Gewalt zu-rückzuverfolgen: bis in frühe Tage der Zweiten Republik.

Da spielten noch im endlich gewonnenen Frieden sogenannte „Werwölfe” Krieg, und ein Regierungsmitglied von heute wurde wegen Unterstützung ihrer Umtriebe rechtskräftig verurteilt.

Bei der Gründungskundgebung des „Verbandes der Unabhängigen” (VdU) 1949 legte der Altnazi Fritz Stüber einen rhetorischen Sprengsatz vor den Stufen des Rathauses nieder: „Wenn die Fetzen draußenhängen, sitzen die Lumpen drin”, meinte er und wies zu den Fahnen vor dem Parlament hinüber.

Ein Oskar Helmer hielt als Innenminister seine Hand schützend über das wiedererwachende braune Getriebe. Das „bürgerliche Lager” sollte gespalten werden, und dazu war kein Mittel schlecht genug. Die „Helmer-Rechnung” ist aufgegangen: Dieser Tage explodierte eine braune Bombe vor der Wohnungstür des Genossen Alexander Giese.

Sprengsätze, die Österreich galten, wurden auch in jenen Prozessen gelegt, in denen Massenmörder freigesprochen wurden, österreichische Geschworene waren noch auf die Vergangenheit eingeschworen und glaubten an die Pauschalausrede vom „Befehlsnotstand”.

Als dann Studenten einen alten Naziprofessor auf die Straße zogen, trat vor dem Hotel Sacher ein Neonazischläger in Aktion. Es gab das erste Todesopfer der politischen Gewalt. Das schlug wie eine Bombe ein: Zehntausende bewußter Österreicher zogen hinter dem Sarg des Rentners Kirchweger über den Ring.

Tägliche Sprengsätze liegen in jenen Trafiken und Kiosken auf, wo die „Deutsche Nationalzeitung” verkauft wird. Schon die 140.000 Stimmen für einen Norbert Burger bei der letzten Bundespräsidentenwahl hätten eigentlich als Bombenwarnung genügen müssen.

Jetzt wird braunes Dynamit auch in „grünen” Bewegungen gehortet. Man schaue sich bloß die Embleme und Mitteilungsblätter diverser „grüner” Gruppierungen und Grüppchen an. Statt Hakenkreuz (oder Hammer und Sichel) Hammer und Schwert.

Sprengstoff enthält der „Wiener Beobachter”, das Mitteilungsblatt der .Aktionsgemeinschaft für Politik”. Da wird die Friedenssehnsucht der Jugend nationalistisch umfunktioniert: „Wir Nationalisten begrüßen diese Strömung”, heißt es. „Sie zeigt, daß jener Schock von 1944/45 in unserem Volk abgeklungen ist, der in einer Panikreaktion unser Volk völlig blind in die Arme der USA trieb.”

Das „Neue Wort” der „Volkssozialisten” hat „die Schnauze voll” und stellt sich gegen „das System”: altbekannte Nazitöne. Anführer ist ein Mann, der die Demonstration gegen Kardinal König nach dessen erster Polenreise inszeniert hat. Eine Zeitlang „residierte” die „grüne” Elisabeth Schmitz mit ihm im selben „Parteilokal”.

Südtiroler Bombenschmeißer, steirische Adelige, ein paar Industrielle und ein Wiener Anwalt, der Verträge für die Großindustrie abschließt, Sympathisanten und Funktionäre der Burgerpartei gehen ein „grünes” Bündnis ein und basteln an geistigen Bomben, die demnächst losgehen sollen.

Ein steirischer Baron aus dem Ausseerland betont die „Zugehörigkeit Österreichs zum deutschen Volksstamm”, und ein Wiener Realitätenvermittler warnt vor dem Fremdenverkehr als Quelle der „Rassenverseuchung”.

Auch im Bereich der Bürgerinitiativen machen sich grün-braune Zündler bemerkbar. Der genannte Realitätenvermittler nahm an der Konferenz der Arbeitsgemeinschaft österreichischer Bürgerinitiativen in Gablitz teil und versuchte, ideologische Bomben zu legen.

Die Bomben gegen Wiener Mitbürger hängen an der gleichen Zündschnur. Auch die Kochtöpfe, in denen das Braunpulver angerührt wird, sind die gleichen.

Die Eisenberg-Bombe galt dem nationalen und religiösen Frieden in Österreich, die Wiesenthal-Bombe allen, die nicht vergessen können, und die Giese-Bombe jenen, die sich zur Humanität bekennen (auch wenn keineswegs alle von ihnen mit allem einverstanden sind, was Freimaurer tun und lassen). Wer heute noch nicht auf der Liste steht, kann morgen schon vorgemerkt sein.

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