6942394-1983_32_07.jpg
Digital In Arbeit

Strittiges Modell Nikaragua

19451960198020002020

Der militärische Druck auf Nikaragua wächst, intensiviert haben sich aber auch die diplomatischen Bemühungen zur Entschärfung des mittelamerikanischen Konfliktherdes. Indessen bleiben die Ansichten über die sandinistische Revolution geteilt. Hier österreichische Stellungnahmen zu dieser Problematik:

19451960198020002020

Der militärische Druck auf Nikaragua wächst, intensiviert haben sich aber auch die diplomatischen Bemühungen zur Entschärfung des mittelamerikanischen Konfliktherdes. Indessen bleiben die Ansichten über die sandinistische Revolution geteilt. Hier österreichische Stellungnahmen zu dieser Problematik:

Werbung
Werbung
Werbung

In einer Presseerklärung der österreichischen Entwicklungshelfer in Nikaragua heißt es u. a.:

Ein Krieg liegt in keiner Weise im Interesse Nikaraguas. Schon jetzt bedeutet die Infiltrierung des Landes durch Terrorgruppen eine empfindliche Behinderung des Wiederaufbaus des von Ęrd- beben, Befreiungskrieg, Hochwasser- und Dürrekatastrophen zerstörten Landes…

Tatsächlich ist in den letzten vier Jahren seit dem Sturz des Diktators Somoza hervorragende Aufbauarbeit geleistet worden, weshalb auch das nikaraguanische Volk hinter der Regierung steht.

Beispiele für die Leistungen der sandinistischen Regierung sind: landesweite Impfkampagnen gegen Polio, Tetanus, Malaria und Typhus; Fertigstellung von sechs Regionalspitälern; Bau von mehr als 150 Gesundheitszentren im ganzen Land; 3600 Stellen für zusätzliches medizinisches Personal; 10.000 freiwillige Gesundheitshelfer, durch welche erst so hervorragende Leistungen wie die Senkung der Kindersterblichkeit von 121/1000 auf 81/1000 innerhalb von vier Jahren ermöglicht wurden; Senkung der Analphabetenrate von 56 auf 17 Prozent; 4000 zusätzliche Lehrer eingestellt und

Schulen im ganzen Land gebaut; 27.000 Hektar Land an Bauern und Landarbeiter übergeben, Agrar- und Konsumgenossenschaften gegründet u. v. a.

5000 ausländische Mitarbeiter sind in allen Bereichen beim Wirtschaftsaufbau Nikaraguas beschäftigt. Ein Abzug der internationalen Entwicklungshilfe kann somit keine Lösung sein. Im Gegenteil: Die praktisch einzige noch mögliche Form, einen Krieg zu verhindern, ist intensivste internationale Solidaritätsarbeit, private und offizielle Besuche in Nikaragua, gewaltfreie Protestaktionen, Botschaftsbesuche, Protestbriefaktionen, verstärkte Informationsarbeit, Spendenak tionen und sonstige Solidaritätsbezeugungen: Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt…

KA-Präsident Direktor Eduard Ploier, Vorsitzender des österreichischen Entwicklungsdienstes (ÖED), erklärte gegenüber Kath- press u. a. folgendes:

„Nikaragua wurde für den ganzen südamerikanischen Raum zu einem Modell, auf das viele lateinamerikanische Länder ihre Hoffnung gesetzt haben. Die westliche Welt hätte weit mehr als bisher der Regierung von Nikaragua beistehen sollen:“

„Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß hier von der westlichen Welt, vor allem von den USA, Nikaragua in die Isolation getrieben worden ist. Man bekommt den Eindruck, daß für die westliche Welt dieses Modell Nikaragua nicht gelingen darf. Diese Haltung des Westens hat die sandinistische Bewegung gezwungen, viele Anleihen vom Osten zu machen. Dies zu verhehlen, wäre vollkommen falsch, ebenso, daß die sandinistische Regierung auch Fehler gemacht hat und problematische Maßnahmen setzte, die eine kritische Haltung erfordern. Es geschehen in Nikaragua Dinge, die man nicht bejahen kann.“

Trotzdem müsse man laut Ploier diesem Land und Volk wei ter helfen: „Dann bleibt die Chance bestehen, daß Nikaragua seinen eigenständigen Weg geht und in keine einseitigen Abhängigkeiten hineinkommt. Nikaragua ist nicht von vornherein auf Kommunismus programmiert — ich glaube an die Chance eines eigenständigen Weges für Nikaragua.“

Das ist die eine Seite des vielschichtigen Bildes. Der in der letzten .Politik am Freitag“ gezeigte Streifen der US-Fernsehgesell- schaft NBC hat sie durchaus nicht bestritten. Aber er hat auch auf die andere Seite hingewiesen:

Die wachsende Sorge der nikaraguanischen Menschenrechtskommission wegen zunehmender Menschenrechtsverletzungen durch die Sandinisten; die brutale Vertreibung tausender Miskito- Indianer; die Aussagen der abgesprungenen Revolutionäre Alfonso Robelo und Eden Pastora, die Revolution sei an den Marxis- mus/Leninismus verraten worden; die Behauptung eines Ex- Kommandanten, 2000 der 4500 kubanischen „Lehrer“ in Nikaragua seien in Wirklichkeit Soldaten; die „Alphabetisierung“ der Kinder anhand von Haß- und Kriegsparolen …

In Telegrammen an Außenminister Erwin Lanc und US-Bot- schafterin Helene von Damm forderten Ploier und ÖED-Ge- schäftsführer Hans Bürstmayr Solidarisierung mit Nikaraguas Unabhängigkeit und Unverletzlichkeit und eine Problemlösung auf diplomatischem Weg mit Hilfe der Contadora-Gruppe (Mexiko, Venezuela, Kolumbien und Panama).

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung