6963820-1985_06_08.jpg
Digital In Arbeit

Todesbote, Vertröster ?

19451960198020002020

Ist der Krankenhausseelsorger nur Todesbote und Vertröster auf das Jenseits oder kann er auch wie der Arzt einen Beitrag zur Genesung des Patienten im-Krankenhaus leisten?

19451960198020002020

Ist der Krankenhausseelsorger nur Todesbote und Vertröster auf das Jenseits oder kann er auch wie der Arzt einen Beitrag zur Genesung des Patienten im-Krankenhaus leisten?

Werbung
Werbung
Werbung

Die Krankenhausseelsorge ist in das Gespräch gekommen! Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig: Kranke erwarten sich heute nicht nur eine hervorragende medizinische Versorgung und eine qualitative Pflege, sondern sehnen sich gerade in der Situation der Krankheit nach Begleitung und Geborgenheit; die rasante Entwicklung der Technik läßt zunehmend Fragen nach der Ethik aufkommen; das Selbstverständnis der Seelsorger hat sich seit dem zweiten Vatikanischen Konzil gewandelt, da Seelsorge immer mehr als Auftrag zur ganzmenschlichen Begleitung verstanden wird; die Rolle des Seelsorgers im Krankenhaus ist in einem noch nie dagewesenen Wandel: Der Krankenhausseelsorger löst sich vom oft vorhandenen Bild des Todesboten, des Vollziehers eines schwer verständlichen Rituales, des Anbieters frommer Zeitschriften oder des ungebetenen Seelentrösters.

Die genannte Entwicklung bringt derzeit eine Reihe von Schwierigkeiten mit sich: Für die Krankenhausseelsorge steht viel zu wenig Personal zur Verfügung; die Angebote für eine spezifische

Aus- und Weiterbildung sind noch nicht ausreichend; betreffend Auswahlkriterien und Einbeziehung von Laien in die Krankenhausseelsorge gibt es noch viele Unsicherheiten; die Notwendigkeit der Aufarbeitung der Erfahrungen der Krankenhausseelsorger wird erst ansatzweise erkannt; das Bemühen von Krankenhausseelsorgern, in eine partnerschaftliche Kooperation mit dem Personal im Krankenhaus zu kommen, ist noch nicht überall intensiv genug und wird auch noch nicht immer ausreichend beantwortet; äußere Arbeitsbedingungen sind nicht immer optimal (z. B. fehlt oft ein eigenes Dienstzimmer).

Allen diesen Herausforderungen kann aber mit Zuversicht begegnet werden, wenn die Krankenhausseelsorge als Chance erkannt wird, gerade in diesem Bereich der Pastoral die Grundvollzüge der Kirche, als Beitrag zur Heilung des ganzen Menschen, verwirklichen zu können. Der Auftrag Jesu, die Kranken nicht nur „in die Ferne zu vertrösten”, sondern als ganze Menschen hier und jetzt zu begleiten, ist in seinem Handeln selbst begründet: er nimmt Krankheit und Leid ernst, hat Mitleid im Sinne des Mit-lei-dens, ist gegen das Abdrängen der Kranken in die Isolation, solidarisiert sich mit den Kranken und heilt sie umfassend, weil er Krankheit und Leid a^uch als Symptome der Erlösungsbedürftigkeit der Menschen interpretiert.

Das skizzierte Handeln Jesu verbietet es, Krankenhausseelsorge so zu betreiben, daß die Situation des Patienten ausgenützt wird, um an ihm etwas zu vollziehen, was er innerlich vielleicht gar nicht bejaht, ihm die Sakramente „aufzudrängen” oder „billige Bekehrung” zu versuchen. Der Kranke ist nicht Objekt einer „Be-sorgung”, sondern Subjekt der Begleitung. Es muß an ihm liegen, was und wieyiel er vom angebotenen Dienst annehmen möchte. Der Kranke bestimmt Tempo und Ziel der Begleitung (Zum Beispiel darf mir ein moribunder Patient, der mit mir über seine Ängste vor dem drohenden Tod spricht, zu verstehen geben, daß er heute im Gespräch bis hierher und nicht weiter gehen möchte. Das habe ich als Seelsorger zu respektieren).

Eine wirksame Begleitung ereignet sich dort, wo Menschen sich miteinander auf den Weg machen. In diesem Verständnis sind dann auch im Krankenhaus die Verkündigung des Glaubens, die Glaubensfeier und der Dienst in Gemeinschaft keine „Fremdkörper” mehr, sondern lassen Betroffenheit aufkommen, geben Raum und Zeit für Reifung und können so den Weg für Heilung freimachen. Heilung kann wie Glaube, Liebe oder Sinn einfach nicht verordnet werden! Sie kann nur durch mein und anderer Zutun erwachsen und, was die Grenzenlosigkeit betrifft, geschenkt werden.

Worin besteht nun der Beitrag der Seelsorge zur Heilung im Krankenhaus? Grundsätzlich ist es Aufgabe des Krankenhauses, dem Patienten zum Gesundwerden zu helfen. Daher hat auch der Krankenhausseelsorger die Aufgabe, alle Maßnahmen, die der Wiederherstellung der Gesundheit dienen, zu unterstützen. Der kursorische Besuch, die Gespräche mit den Kranken, das Zuhören, die Ermutigung, das gemeinsame Gebet, die Meditation der

Heiligen Schrift und die Feier der Sakramente dienen dem Heilwerden des Patienten.

Dieser Vorgang ist nicht herausgelöst vom Dienst der Ärzte, der Schwestern und Pfleger und des übrigen Personals sowie der Mitsorge der Angehörigen, sondern in Einheit mit diesen zu sehen. Wenn die Mitglieder des Teams miteinander und mit dem Patienten (unter Einbeziehung der Angehörigen) entsprechend kommunizieren und ihren Dienst koordinieren, bleibt der Kranke Subjekt und wird nicht „spartenweise”, sondern ganzheitlich behandelt, ohne daß die einzelnen Teammitglieder die ihnen zukommenden Kompetenzen überschreiten.

Was die heilende Dimension des Glaubens betrifft, ist dann nochmals zu differenzieren zwischen den Patienten, die auf dem Weg der Genesung, und jenen, die auf dem unabänderlichen Weg auf den Tod hin sind. Im ersten Fall sind auch vom Glauben her alle Kräfte im Hinblick auf die Genesung zu mobilisieren, während im zweiten Fall, vorausgesetzt, der Patient ist dazu bereit und fähig, im Rahmen einer Sterbendenbegleitung der Blick auch immer mehr auf das Heil in seiner Vollendung nach dem Tod gelenkt wird. In beiden Fällen muß aber von der Seelsorge her, im Sinne einer ganzheitlichen Begleitung, die menschliche Zuwendung (vom gemeinsamen Ringen um Antworten auf drängende Fragen, über das Halten der Hand und das gemeinsame Schweigen und Trauern, bis hin zum Trocknen der Tränen), das Hören des trostvollen Gotteswortes, das gemeinsame Gebet und die Feier der Sakramente (möglichst unter Teilnahme der Angehörigen und auch der Vertreter des Krankenhauspersonals) eine Einheit bilden.

In einem derartigen Seelsorgekonzept werden Würde und Freiheit des Patienten nicht nur gewahrt, sondern erweitert, der Seelsorger nicht mehr als Todesbote oder Vertröster empfunden, die heilenden Kräfte des Glaubens auch von weltanschaulich anders Orientierten zumindest respektiert und der Dienst der Krankenhausseelsorge als inte-grativer Bestandteil des Krankenhausangebotes immer mehr anerkannt und geschätzt werden.

Univ. Doz. Dr. Schmatz ist Pastoraltheologe, Leiter des Religionspädagogischen Institutes in St. Pölten und als ständiger Diakon auch in der Krankenhausseelsorge in Krems tätig. Er hielt jüngst ein Hauptreferat bei der österreichischen Krankenhausseelsorgertagung (29.-30. Jänner 1985 im Bildungshaus Wien-Lainz).

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung