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Um den See zum ungarischen Versailles

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Unweit der Staatsgrenze - etwas abseits vielleicht - bietet Ungarn jede Menge an Kultur und touristischen Sehenswürdigkeiten, alles in einem Umkreis von weniger als fünfzig Kilometern.

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Unweit der Staatsgrenze - etwas abseits vielleicht - bietet Ungarn jede Menge an Kultur und touristischen Sehenswürdigkeiten, alles in einem Umkreis von weniger als fünfzig Kilometern.

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Der westliche Teil Transdanubiens bietet eine nur selten anzutreffende landschaftliche Vielgestaltigkeit. Das Gebiet, das im Norden an die Slowakei und im Westen an Österreich grenzt, bietet Tiefebene, einen Steppensee, und ist von Bergen und Tälern durchzogen. Man braucht nur einen Tag, um einen Eindruck von der Vielfalt Westungarns zu bekommen.

Das westliche Transdanubien besitzt - im wahrsten Sjnn des Wortes -eine äußerst bunte und lebendige Volkskunst. Allerdings wurden die Tänzer von Szany, die Stickerinnen von Rabaköz und Hövej - durchaus vergleichbar mit den Spitzenklöpplerinnen aus Flandern - die Töpfer aus Magyarszombatfa und Dör, die Holzschnitzer aus Öriszentpeter und ihre phantastische Welt des Kunsthandwerks bereits aus den Dörfern verdrängt und man findet ihre Produkte nur noch zentral in den größeren Orten oder in den Freilichtmuseen von Szombathely und Zalaegerszeg.

Wenige Kilometer von Sopron (Ödenburg) entfernt - direkt an der grünen Grenze - befindet sich der kleine Ort Fertöräkos. Der typisch ungarische Marktflecken mit seiner wunderschönen Kirche aus dem 17. Jahrhundert bietet eine einmalige Sehenswürdigkeit: einen aus der Römerzeit stammenden Steinbruch und noch unverfälschte Bauernarchitektur in der näheren Umgebung. Aus dem Steinbruch wurden einst Steine gebrochen, aus denen die wichtigsten Bauten in der Hauptstadt Oberpanno-niens Savaria (Szombathely) in Scar-bantia (Sopron) oder Arrabona (Györ) erbaut wurden. Der Steinbruch ist längst stillgelegt und heute nutzt man die in rund 1.000 Jahren Gesteinsabbaus entstandenen unterirdischen Hallen und Säle - an ägyptische Felsentempel erinnernd - für phantastische Konzerte und Opernaufführungen mit hervorragender Akustik. Jeden Sommer, gleichzeitig mit den Soproner Festwochen, wird im Steinbruch musiziert, gesungen und gespielt.

Seit einigen Jahren führt das Eisen-bahn-Oldtimer-Unternehmen Brenner & Brenner von Wien aus mit historischen Dampfloks Sonderzüge zum Opernfest nachFertöräkos. Diedamp-fenden Veteranen, ein ungarischer Sonnenuntergang und danach zur Oper in den festlich illuminierten Steinbruch: ein einmaliges Erlebnis. Aber man muß nicht unbedingt im Sommer nach Fertöräkos, zu jeder Jahreszeit bietet der Steinbruch Entspannung und Erholung.

Natur pur am See

Südlich von Fertöräkos kommt man nach Balf, einem Kurort, in dem schon römische Legionäre ihre Leiden kurieren ließen. An die lange Tradition des Heilbades erinnert nur noch ein Schloß aus dem 17718. Jahrhundert, das nicht nur besichtigt werden kann, sondern in dem man ausgezeichnet nächtigt. Balf liegt etwas abseits vom Ufer des Neusiedler Sees (Fertö-tö, aber auf der Straße nach Hidegseg, Fertöhomok und Hegykö sieht man deutlich die riesige Schilflandschaft um den See (von hier kann man auf

Nebenstraßen oder -wegen direkt zum See fahren und wenn man will, eine Fähre nach Österreich benutzen).

Der See ist hier noch - anders als in Österreich - ursprünglicher und sumpfig. Man hat in Ungarn weit weniger in Zufahrtswege und „Erholungslandschaften” investiert als im Burgenland. Lange Zeit ernährte der Schilfreichtum die Anrainergemeinden in Ungarn. Das Mattenflechten, die Erzeugung von Stuhlüberzügen und das historisierende Dachdecken mit Schilf dienen auch heute noch als Einnahmequelle. Vor einigen Jahren erst hat man begonnen, einen Teil des angrenzenden Wassers, den „Harsäg”, trockenzulegen. Trotzdem ist auch hier die einzigartige Vogelwelt erhalten geblieben und anzutreffen. Versucht man die Wasservögel zu belauschen oder gar ihren Flug zu beobachten, kann es sein, daß man plötzlich abseits des Weges irgendwo vor einem halb verfallenen, pittoresken Holzbau, mit Stroh gedeckt und von der Sonne ausgebleicht, steht, dann scheint die Zeit stillgestanden zu sein.

Aber die Reise geht weiter: Am südlichsten Punkt der Route befindet sich der kleine Flecken Fertöd mit seinem gleichnamigen Schloß. Es ist dies die ehemalige Residenz des Fürsten Nikolaus Eszterhäzy, die er im 18. Jahrhundert „Esterhäza” nannte (heute streiten die Ungarn um den Namen, belassen aber „Fertöd”, weil dieser der ältere Name für das Dorf ist). Von Schloß Eszterhäza hieß es schon nach der Erbauung, daß es das prächtigste Schloß in Ungarn sei, man nannte es auch das „Ungarische Versailles”. Und so ist es auch bis heute geblieben.

Vom Fürsten selbst geplant

Das Schloß wurde nach den Plänen des Fürsten Nikolaus Joseph von Gi-rolamo Bon, Nikolaus Jakoby und Melchior Hefele in den Jahren 1764 bis 1768 erbaut. Barock und Rokoko vereinen sich zu einem harmonischen Ganzen.

Leider ist der riesige barocke Park nur noch rudimentär erhalten. Und das chinesische Teehaus sowie das Schloßtheater, in dem auch Joseph Haydn vor seinem Fürsten musizierte, wird man vergeblich suchen. Beide existieren nicht mehr. Das aber, was von Eszterhäzyscher Pracht blieb, ist aber noch immer lohnender und wunderschöner Höhepunkt einer Tour rund um den Neusiedler See - dies-und jenseits der Grenze.

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