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Digital In Arbeit

Viel zu einseitig

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Die Miteinbezieh\izig der Laien in die Vorbereitung eines Sozialhirtenbriefes ist gut, denn es geht hiebei nicht um das Aufstellen von Lehrsätzen sondern um die Gestaltung des gesellschaftUchen Lebens. Es ist notwenig, daß sich breite Kreise mit der Thematik beschäftigen, um die Menschen zu motivieren, das Hirtenwort, dessen Formu-Uerung in die alleiiüge Kompetenz der Bischöfe fäUt und für das diese allein verantwortlich sein werden, überzeugt und engagiert im Sinne ihrer „Verantwortung im Beruf, in der Gesellschaft, in der Welt der Wirtschaft, der Kultur xmd der Po-htik“ in die Praxis imizusetzen.

Die Autoren sagen, der „Grundtext zur Diskxission“ ist kein Entwurf, er soll nur der Vorbereitung des Sozialhirtenbriefes dienen. Gerade diese Aussage drängt Fragen auf: Werden die kritischen Stel-Ixmgnahmen bei der Ausarbeitung des Hirtenbrief-Entwurf es berücksichtigt werden? Wird dies bei der FüUe der Stellxmgnahmen und in Anbetracht der Kürze der Zeit überhaupt mögUch sein? Wird das Redaktionskomitee willens und fähig sein, Äußenmgen, die von der eigenen Meinung weit entfernt sind, in den Entwxirf einzuarbeiten?

Aussagen im „Grundtext zur Diskussion“, die vielen problematisch erscheinen, sind keine neuen Erfindungen, sondern Frucht einer langjährigen Entwicklung. In den letzten zehn und mehr Jahren wurden viele Dinge von kathoÜschen Gruppen formuliert, die bei vielen Katholiken Anstoß erregten, aber von diesen mehr oder weniger kritiklos, jedenfalls die Auseinandersetzung Inder Öff enthchkeit meidend, meist auch im Inneren schweigend, zur Kenntnis genommen wxirden.

Sicherlich ist ein Umdenkprozeß auch bei vielen Gläubigen notwendig. Beispielsweise bedürfen folgende Fragen dringend einer Beantwortung:

- Welche pohtischen Gruppen beziehxmgsweise pohtischen Persönlichkeiten sind willens, christh-ches Gedankengut im pohtischen Alltag umzusetzen?

-Werbekeimt auch öff enthch sein Christ-Sein?

-Welche Unternehmen bekennen sich zu christlichen Gnmdsätzen?

-Welchen Konsximverzicht ist die Kindererziehung wert?

-Wer identifiziert sich als Person mit seiner Arbeit?

-Wer ist bereit, den jeweils älteren Menschen zu respektieren xmd ihm dienlich zu sein?

Im „Grundtext zur Diskussion“

—sind zahlreiche DetaUf orderxm-gen enthalten, die fragwürdig sind. Wennsieniditaxisdrückhchzxirück-gewiesen werden, wird man immer wieder versuchen, sie bei

Interpretationen quasi als authentische Meinxmg heranzuziehen; - wird vieles relativ all-“

gemein formxiMert. Diese

UnVerbindlichkeit birgt die Gefahr in sich, daß alles möghche, vielleicht vieles, das nicht mehr vertretbar ist, darunter subsximiert werden kaim. -gibt es eine große Zahl sehr suggestiver Fragen,

die vordergründig Konfliktstoff bieten, kaum aber zum Dialog führen können; -wird das „Soziale“ mit dem Thema „Arbeit“ mehr oder weniger gleichgesetzt;

- wxirden nahezu axisnahmlos materielle Aspekte behandelt. Zu den ersten drei iCapiteln: Man hat den Eindruck, es geht nicht um den Sinn der Arbeit, sondern es geht bloß dämm, daß etwas getan wird, bestenfalls das Einkommen erwirtschaftet wird. Es fehlt der Bezxig axif die Teilhabe an der Schöpfung. Das ist eine entscheidende Lücke. Symptomatisch ist die Frage nach dem „geglückten Leben“. Dieses „geglückte Leben“ wird sehr stairk mit der Erwerbsarbeit in Zusaimnenhang gebracht, als Ziel sollte ein „sinnerfülltes“ Leben angestrebt werden. Nach dem Sinn des Lebens wird nicht gefragt. Diese existentielle Frage der Menschheit dürfte eigentlich in einem Sozialhirtenbrief nicht ausgeklammert werden. Es wird gesagt, Erwerbsarbeit sei nicht alles. Nichts wird aber gesagt, über die anderen Bedeutxm-gen der Arbeit, wie Dienst in der Famiüe oder Dienst in der Gemeinde. Es wird nxir über die Verteilung von Einkommen, von den verschiedenen Mechanismen gesprochen. Begriffe werden hingestellt xmd nicht definiert. Was heißt schon zum Beispiel „menschengerecht“? Auch fehlt, daß die Arbeit ein persöhU-cher, sittlicher Auftrag ist. Sie kann wesenhaft zur Stärkxmg des Selbstgefühls des einzelnen Menschen beitragen, wenn jeweils seine VerantwortUchkeit für das Gemeinwohl , von ihm selbst begriffen wird. Zu den nächsten acht Kapiteln: Die Auswahl der Themen ist will-kürUch. Es ist xmverständlich, daß hier über Fragen der Bildxmg nichts axisgeführt wird. Es ist xmverständ-hch, daß bei der Familie keine Ziel-def rnitionen gegeben i^rden. Es ist unverständhch, daß die Errungenschaften des österreichischen Sozialstaates mehr oder weniger her-xmtergemacht werden. Es ist xmverständlich, daß Leerformeln wie ein „Recht des einzelnen axif Arbeit“ verwendet werden. Es ist unverständhch, daß die Probleme der Frau von heute auf „Armut“ vereinfacht werden- Es ist xmverständüch, daß im Kapitel über die Frau das Wort

„Kind“ übeAaupt nicht vorkommt. Es bringt wenig, über „Landwirtschaft“ zu schreiben, xmd keine Lösungsansätze für diese komplexen Probleme axifzxizeigen. Es trifft nicht den Kern, wenn die internationalen Verflechtungen bloß zu Insttximen-ten der Profitmaximie-rung verformt werden. Im Kapitel über die Gestaltung der Zukunft der Kinder wird inhaltUch nichts gesagt Auf die E inkommensverteilxmg wird sehr gezielt hingewiesen, wobei es fragUch ist, ob die Art, in der dies geschieht, überhaupt für einenHirtenbrief passend ist

. Zum zwölften Kapitek Es wird versucht, zur Diskussion überzuleiten und nicht im Theoretischen steckenzubleiben, es wird versucht, Begeistenmg zu wecken. Dieses Kapitel ist zu begrüßen. Resümee:

Es ist höchste Zeit, sich mit den Fragen des gesellschaftlichen Lebens, und zwar umfangreich, tiefgehend xmd allumfassend auseinanderzusetzen. Das christUche Gedankengut mxiß breit in die Bevölkerung hineingetragen werden. Der Bewußtseinsbildungsprozeß darf nicht nur den anderen überlassen werden. Die gegenwärtige Diskussionsphase ist zu begrüßen.

Die Thematik darf nicht axif Ar* beit als Erwerbstätigkeit, axif die materielle Seite geseUschaftUcher Probleme und axif momentan medienwirksame Fragenkomplexe redxiziert werden. Der „Grundtext zur Diskxission“ stellt keine befrie* digende Grundlage für ein großes Gespräch dar. Er ist in der Auswahl der Themen zu willkürlich, es fehlt der große Kontext, der allein Glaubwürdigkeit vermitteln kann- Einzelne Themen sind überbewertet. Es mangelt an Analysen. Definitionen fehlen ausnahmslos. Die Einäxigig-keit sowie die suggestiv gestellten Fragen verärgern. Der geplante Sozialhirtenbrief sollte inhalthch nicht auf diesem „Grundtext zur Diskussion“ axifgebaut werden. Er sollte auch nicht am Geist, der diesen „Grxmdtext zxtr Diskussion“ beherrscht, festhalten. Nxir zu leicht könnte der ohnehin schon Zerreißproben axisgesetzte gesellschaftspo-Ütische Grxmdkonsens der KathoÜ-ken dadurch in Frage gestellt werden.

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