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Von der Technik zur Mystik

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Die 1937 von den Nationalsozialisten veranstaltete Ausstellung „Entartete Kunst“, die man dann in verkleinertem Umfang auch in Wien sehen konnte, war ohne Zweifel eine der besten und umfassendsten der Modernen Kunst die es je hier gab. Unter den ausgestellten Bildern befand sich auch der „Gott der Flieger“ von Johannes Molzahn, einem deutschen Maler, der, von 1938 bis 1959 in der Emigration in den Vereinigten Staaten lebend, zu Unrecht nach der Rehabilitierung durch den zweiten Weltkrieg übersehen und fast vergessen wurde. Man muß der Galerie nächst St. Stephan dafür danken, daß sie nun in einer wichtigen und interessanten Ausstellung, die 40 Bilder umfaßt, einen ausgezeichneten Uberblick über sein Lebenswerk vermittelt.

Molzahn, der 1892 in Duisburg geboren wurde, war einer jener wenigen deutschen Maler, bei denen anfangs der italienischen Futurismus bestimmend wirkte und in seinen Bedeutungen verstanden wurde. 1919 unterzeichnete Molzahn das „Manifest des absoluten Expressionismus“, der für ihn aber nicht Subjektivität, sondern Suche nach Objektivem zu bedeuten schien.

Seine weitere Entwicklung bringt die Einbeziehung von technischen Formen, man kann Einflüsse von Baumeister und Schlemmer feststellen und den Aufbau einer bildnerischen Welt, die dem technischen Charakter des Jahrhunderts — wie Leger in Frankreich — Rechnung zu tragen suchte. Technoide Formen, Zeichen und plakative Silhouetten im Spiel zwischen positiv und negativ ' kennzeichnen diese Phase, die dann in die Zeit der „heroischen Vitalmarionetten“ übergeht, funktioneller Roboterfiguren, die er gegen oder in einen in reicher farbiger Chromatik parallel strukturierten aperspektivischen Raum stellte, der für ihn immer wichtiger und mehr und mehr zum Symbol und Ort einer transzendentalen Mystik wurde. 1950 entstand bei ihm daraus die „Technische Ikone“ und langsam eine Renaissance des Gottesbildes, von der in der Ausstellung Darstellungen des „Thronenden Christus“ zu sehen sind, die in der Durchdringung von Innen und Außen durchscheinende Formen zu vereinen suchen und Einflüsse der katalanischen Fresken (San Climent de Tahull!) zeigen.

Der konsequente Weg dieses hochinteressanten Malers mündet damit — von der Anbetung der Technik ausgehend über die Auseinandersetzung mit dem Menschenbild — in eine Mystik, in der Zahl und Maß, die sich bei ihm in einem harmonischen Teilungskanon verkörpern, eine fundamentale Rolle spielen. Die bildnerischen Probleme, die er aufwarf, sind heute bei weitem noch nicht alle gelöst, werden weitgehend verneint oder übersehen. Sein Werk wird dadurch besonders bedeutsam, wichtig. Bewundernswert bleiben vor allem die intellektuelle und künstlerische Ehrlichkeit Molzahlns, die sich mit ebenso großer handwerklicher Sauberkeit und Empfindsamkeit paarte, die geistige Welt, die er sich nach und nach erobert und gebaut hat.

So sehr man der Galerie St. Stephan diese gewichtige Neuentdek-kung gönnt, so sehr muß man es doch auch bedauern, daß sich das „Museum des 20. Jahrhunderts“ die Gelegenheit entgehen ließ, Molzahn eine wirklich repräsentative Ausstellung zu widmen. Eine wirklich sehenswerte und Überdenkenswerte Ausstellung, die man nicht versäumen sollte (bis 12. Februar).

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