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Finnlands Aufbruch in die Moderne braucht keinen Vergleich zu scheuen. Eine Entdeckung in der Österreichischen Galerie Belvedere.

Wie es keine Länder ohne Landschaft gibt, so gibt es auch keine Kulturgemeinschaften ohne Kunst. So genannte weiße Flecken gibt es nur auf der Landkarte und Kunstzentren nur als geballte Kunstberichterstattung. Finnland scheint lange an beiden Missverständnissen gelitten zu haben, und ganz überwunden dürften sie immer noch nicht sein. Um dem handfest entgegenzuwirken, zeigt die Österreichische Galerie Belvedere Finnlands durchaus beeindruckenden Aufbruch zur Moderne.

Diese Präsentation setzt bereits mit der Neuromantik und dem Symbolismus der 1890er Jahre an. Die dort vorherrschende Kompositionsweise aus einer Synthese von vereinfachten, klar abgegrenzten Formen und homogenen Farbflächen überwand den damals dominierenden, auf Wirklichkeitsnachahmung reduzierten Realismus. Dieser Beginn einer autonomen Kunst paarte sich im damaligen Finnland mit der malerischen Aufarbeitung des Nationalepos Kalewala und einer besonderen Beschäftigung mit primitiven Daseinsformen, um daraus eine Vision des modernen Menschen zu entwickeln.

Frauen in zentraler Stellung

Wenngleich in Finnland wie sonst auch allenthalben die Männerwelt bevorzugt präsentiert und diskutiert wurde, so zeigt sich doch eine zentrale Stellung der Kunst von Frauen in Frühzeit der Moderne in Finnland. Helene Schjerfbecks Arbeiten, 1883 in der Bretagne, noch einige Jahre vor den berühmten "Nachzüglern" Paul Gauguin und Émile Bernard, entstanden, zeigen bereits jenen Willen zu einem rein malerischen Ausdruck jenseits aller Erzählfreudigkeit. Die zweite große Malerin, Ellen Thesleff, durchbrach die geschlossene Form der Landschaft, indem sie mit der Spachtel die Farbe auftrug und so eine besondere Rhythmik in ihre Arbeiten brachte. Beide wollten in ihren Werken von immateriellen Werten wie Gefühlen, Musik oder Träumen erzählen. Dass beide die internationale Kunstszene bestens kannten, unterstützte sie bei ihrer Formensuche. Die dritte im Bunde, Sigrid Schaumann, die mit Sonia und Robert Delaunay Bekanntschaft pflegte, löste in ihren Landschaftsbildern die konkreten Objekte fast gänzlich auf, die Beschäftigung mit den Möglichkeiten der Farbe allein beansprucht beinahe die gesamte Leinwand.

Damit ist Frankreich als ein Ideenlieferant angesprochen, nicht zu unterschätzen ist der Einfluss von Edvard Munch, dessen Ausstellung im Jahr 1909 in Helsinki Begeisterungsstürme hervorgerufen hatte. Nachdem Finnland jahrhundertelang ein Teil Schwedens war und damit intensive skandinavische Kontakte pflegte, machte sich der russische Einfluss nicht nur durch die Okkupation breit, sondern auch die große Nähe der Kunstmetropole St. Petersburg tat hier ihr Übriges. Trotzdem diente den Finnen ihr Aufbruch in die Moderne der Malerei auch als ein Element zur politischen Befreiung.

Finnische Motive

Und gerade in diesem Moment zeigt sich auch eine Besonderheit der finnischen Malerei jener Jahre: Niemals verlässt man den Gegenstand völlig, sondern kostet die Errungenschaften der Moderne innerhalb des Motivs aus. Und diese Motivwahl nimmt mehr und mehr finnische Züge an. Zuvorderst die endlose Landschaft mit Wäldern und Seen, wie zum Beispiel bei Albert Edelfelt, aber auch die Lebensbedingungen der Leute tauchen in den Arbeiten etwa von Marcus Collin oder Pekka Halonen immer wieder auf. Daneben unterstützte die beinahe schon exzessive Beschäftigung mit den Geschichten um den Schamanen Väinämöinen, der Hauptfigur des Nationalepos Kalewala, die politischen Absichten. Aleksi Gallen-Kallela schuf nicht nur eine große Zahl Einzelarbeiten dazu, sondern illustrierte auch eine Prachtausgabe. Aber Gallen-Kallela brilliert nicht nur in diesen Arbeiten, auch seine Landschaften, Porträts und Momentaufnahmen wie das "Symposium" brauchen keinen Vergleich scheuen.

Nordlicht

Finnlands Aufbruch zur Moderne

1820-1920

Österreichische Galerie Belvedere, Prinz Eugen-Straße 27, 1030 Wien

Bis 2. 10. Di-So 10-18, Do 10-21 Uhr

Katalog hrsg. von Stephan Koja,

München 2005, 232 Seiten.

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