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Wer erzieht die Kinder?
Vor kurzem las ich die detaillierte Aufgliederung einer Untersuchung über das Fernsehverhalten der österreichischen Kinder. Es ist aufschlußreich, sich die Ergebnisse näher anzusehen: Fernsehen ist nach Aufgaben machen und spielen die drittwichtigste Beschäftigung der Kinder, im Alter zwischen sechs und vierzehn Jahren. Für etwa zwei Drittel der befragten Kinder ist es sogar eine tägliche Routine! Nur 3 Prozent der Kinder sehen weniger als einmal wöchentlich fern.
Was die Fernsehdauer anbelangt, gibt es eindrucksvolle Zahlen: Wochentags beträgt sie bei Kindern im Durchschnitt eineinviertel Stunden, am Wochenende sogar um eine Stunde mehr. Am meisten ferngesehen wird in den Winterferien: täglich etwa zweieinhalb Stunden!
Diese Werte liegen noch unter denen der USA. Dort haben Achtzehnjährige in ihrem bisherigen Leben mehr Fernseh- als Schulstunden konsumiert. Dennoch stimmen mich auch die österreichischen Werte bedenklich. Wer erzieht heute eigentlich die Kinder?
Nimmt man nämlich Zahlen über das Maß an frei verfügbarer Zeit von Berufstätigen zur Hand, so wird der Stellenwert des Fernsehens besonders deutlich: Männer verfügen werktags über 4,1 Stunden Freizeit und berufstätige Frauen sogar nur über 1,9 Stunden! Wieviel Zeit bleibt da noch für die Beschäftigung mit den eigenen Kindern, vor allem wenn man bedenkt, daß Erwachsene im Durchschnitt dem Fernsehen ja auch täglich weit mehr als eine Stunde widmen? Ist da die Frage, wer unsere Kinder eigentlich prägt, nicht mehr als berechtigt? Oder, sollte sich nicht jeder fragen, mit welchem Leitbild sein Kind mehr konfrontiert wird: dem des eigenen Vaters oder dem der diversen Filmhelden?
Noch viel bedenklicher aber scheint mir der Umstand, daß bei den 12 bis 14jährigen Kindern bereits Krimis die bevorzugten Sendungen sind. Ist das etwa das Menschen- und insbesondere das Männerbild, das wir unseren Kindern vermitteln wollen? Und kann man ehrlich daran glauben, daß die fortwährende Konfrontation mit dieser Art von „Helden” spurlos an Kindern vorbeigeht? Noch dazu wenn Eltern - was die Untersuchung auch klar zeigt - kaum mit ihren Kindern über das Geschehene sprechen! Zugegeben, die stürmische Entwicklung des Fernsehens hat uns einigermaßen überrollt. Vieles ist noch zu wenig bedacht. Mit dem resignierten: „Ja, die Kinder sehen zu viel fern”, wird es nicht getan sein. Es ist höchste Zeit über die Art des Umgangs mit diesem Medium ernsthaft nachzudenken!
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