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Widersprüche und wenig Engagement"

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Die Präsenzdiener stellen dem Heer ein denkbar schlechtes Zeugnis aus: Obwohl die Verteidigungsbereitschaft ganz allgemein ansteigt, sinkt das Image des Bundesheeres selbst.

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Die Präsenzdiener stellen dem Heer ein denkbar schlechtes Zeugnis aus: Obwohl die Verteidigungsbereitschaft ganz allgemein ansteigt, sinkt das Image des Bundesheeres selbst.

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Als am 15. Mai dieses Jahres 70.000 Österreicher am Wiener Rathausplatz ihren Wunsch nach Eindämmung des weltweiten Rüstungswahns eindrucksvoll zum Ausdruck brachten, war dies die Bestätigung dafür, daß die internationale Friedensbewegung auch vor den Toren des neutralen Österreich keinen Halt macht.

In einem solchen Klima allgemeiner Friedenssehnsucht hat eine Institution wie das österreichische Bundesheer naturgemäß keinen leichten Stand.

Dabei hat unser Heer auch schon schlechtere Zeiten erlebt.

Erinnert sei nur an das Volksbegehren zur Abschaffung des Bundesheeres am Beginn der siebziger Jähre oder an Jahrgänge von gerade vierzig Leutnanten an der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt.

Zumindest in der veröffentlichten Meinung scheint die Notwendigkeit und Brauchbarkeit des Bundesheeres heute nahezu unumstritten. Und auch an der Militärakademie kann man wieder aus dem vollen schöpfen: Um die rund 150 Ausbildungsplätze bewerben sich jährlich an die 500 junge Österreicher.

Besteht also für alle, die mit militärischer Landesverteidigung direkt oder indirekt befaßt sind, wieder aller Grund zur Freude?

Die nunmehr in Buchform erstmals zur Gänze veröffentlichten Ergebnisse einer Studie zur „Verteidigungsbereitschaft junger Österreicher" (in: Wer sichert unseren Frieden? Studien zu Jugend und Landesverteidigung. Hrsg. von Erich Brunmayr und Günther Ofner, Wien 1982) müßten vor allem bei den mit der Ausbildung der Präsenzdiener befaßten Offizieren die Alarmglocken schrillen lassen.

Die in zwei Etappen (1980 und 1982) durchgeführte Umfrage unter einrückenden und abrüstenden Präsenzdienern ergab zwar einen leichten Anstieg der Verteidigungsbereitschaft insgesamt. Dennoch besteht daneben eine beträchtliche Distanz der Präsenz-' dienstpflichtigen zur Institution „Bundesheer" selbst.

Die jungen Menschen bejahen einerseits in der Mehrheit die Aussage, daß jeder demokratische Staat eine eigene bewaffnete Macht zu seinem Schutz braucht. Gleichzeitig wollen aber die meisten Jungmänner nach Ableistung ihres Präsenzdienstes mit Landesverteidigung nichts mehr zu tun haben.

Das deutet neben einer allgemeinen Distanz zu Einrichtungen des Staates (Stichwort Politik- uhd Parteienverdrossenheit) auf negative Eindrücke während der Präsenzdienstzeit.

Bestätigung findet diese Vermutung vor allem in der Tatsache, daß Abrüster das Bundesheer und seine Repräsentanten deutlich schlechter beurteilen als ihre einrückenden Kameraden.

Unter diesen Umständen nicht weiter verwunderlich, aber für einen demokratischen Staat umso bedenklicher erscheint das Ergebnis, daß über fünfzig Prozent der befragten Präsenzdiener ein Berufsheer für das „Richtigste" halten.

Wie überhaupt das Meinungsspektrum der befragten Jugendlichen ein höchst widersprüchliches ist und deshalb auch jeder möglichen Interpretation Tür und Tor öffnet.

In Auftrag gegeben wurde die Studie vom Mittelschüler-Kartell-Verband (MKV). Der MKV verzichtete als eine der wenigen Organisationen im Bundesjugend-ring auf die Teilnahme an der eingangs erwähnten Friedensdemonstration und schwimmt in der aktuellen Friedensdiskussion kräftig gegen den Strom.

Deshalb überrascht es auch nicht, wenn der „Exkurs" über die 1982 in die Untersuchung miteinbezogenen Zivildiener nicht gerade von Sympathie der Autoren für die Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen überschwappt.

Im Konkreten: Finanzielle und andere Besserstellungen der Zivildiener gegenüber Präsenzdienern werden lapidar als Mitursache dafür genannt, „daß Wehrdienstverweigerung und Pazifismus in Österreich rasant an Anhängern gewinnen".

Aber auch an einer anderen Stelle, an der eine Untersuchung aus Oberösterreich zitiert und „von einem gewissen .Modetrend* gegen Waffenexporte" geschrieben wird, dürfte eher der Wunsch der Autoren zum Vater der Dateninterpretation gemacht worden sein. Wenn siebzig Prozent der Oberösterreicher in einer Umfrage meinen, Österreich sollte Waffengeschäfte auch dann nicht tätigen, wenn dies wirtschaftliche Vorteile bringt, dann ist ein solches Ergebnis — vor allem in diesen Zeiten — umso bemerkenswerter.

Menschenleben zu opfern für abstrakte Werte gilt bei den meisten Jugendlichen als wenig erstrebenswert. Was zählt, ist vielmehr der Wert jedes einzelnen Menschen, die Verteidigung seiner persönlichen Würde.

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