6846712-1976_25_02.jpg
Digital In Arbeit

Wir von der Praschargrup

Werbung
Werbung
Werbung

T(2J-J höre, die Minister sind sich über die Einführung des Bibliotheksgroschens nicht einig. Die Minister Sinowatz und Broda möchten die Kranken- und Altersversicherung der freien Schriftsteller sichern, der Minister Androsch jedoch hat Bedenken. Und zwar nicht wegen der Summe von acht Millionen Schilling, die man uns freien Schriftstellern zugesichert und die man bereits auch im Budget berücksichtigt hat, sondern aus prinzipiellen Gründen.

Und nun also könnte es geschehen, daß das Parlament in die Ferien geht, ohne das Gesetz zu verabschieden, und daß wir dann wieder auf den Herbst warten müssen, zuerst auf die Budgetdebatte und nachher auf das Ende der Weihnachtsferien — und ob dann im nächsten Frühling, der Minister Androsch uns hilft? Wer könnte das wissen!

Wir werden ihn also wieder feierlich besuchen und er wird uns wahrscheinlich sogar empfangen. Bei dieser Gelegenheit könnte einer von uns dann etwa folgende kurze Rede halten:

„Hochverehrter Herr Bundesminister,

wir haben unser bescheidenes Anliegen seit Jahren einzeln und in kleinen Gruppen vorgetragen, aber es nützte nicht viel, unsere lieben Kollegen mußten weiterhin unversorgt zugrundegehen. Dann haben uns andere hochverehrte Mitglieder der Bundesregierung den Rat erteilt, eine sogenannte „pressure-group“ zu bilden, also eine Formation, die genügend Druck ausüben kann, und wir haben diese Präschärgrup wirklich ins Leben gerufen, aber sie hat uns bis zum heutigen Tag nix genützt. Und deshalb erlauben wir uns, heute einen radikalen Vorschlag zu unterbreiten.

Bitte, schaffen Sie die Literatur ab!

Sie haben, so hören wir, gegen den Bibliotheksgroschen prinzipielle Bedenken. (Und während Sie, hochverehrter Herr Minister, Ihre Bedenken bedenken, gehen freilich wieder einige unserer Kollegen unversorgt zugrunde.) Warum nur gegen den Biblio-theksgroschen? — fragen wir mit Recht. Warum haben Sie nur dagegen Bedenken, daß freien Schriftstellern im Krankheitsfall, im Alter und bei persönlichen Katastrophen geholfen werden soll?

Nein, wenn schon, denn schon.Wenn Sie uns aus prinzipiellen Gründen nicht helfen wollen, dann gibt es nur noch zwei Möglichkeiten: entweder schaffen Sie Krankheit, Alter und Katastrophen ab — oder Sie schaffen die Autoren ab. Wir befürchten, die erste Möglichkeit zu erwägen, wäre nicht ganz realistisch. Es bleibt also nur die zweite übrig. Wenn es keine Autoren gibt, dann braucht man auch kein Bibliotheksgroschen-Gesetz.

Die Abschaffung der Literatur hätte freilich zur Folge, daß man einen wesentlichen Teil der Rundfunk- und Fernsehsendungen einstellen, die Bibliotheken und Buchhandlungen auflassen, den Schulunterricht auf ein paar naturwissenschaftliche Fächer reduzieren und das Lesen und Schreiben überhaupt vernachlässigen könnte. Und die hochgeschätzten Schauspieler der Bundestheater müßten sich ihre Texte entweder selbst verfassen, oder die Stücke gleich in der jeweiligen Fremdsprache des jeweiligen Regisseurs aufführen. Aber all diese Folgen der Abschaffung der Literatur sind Ihnen, hochverehrter Herr Minister, sicherlich bekannt.

Und also bitten wir Sie, die Literatur abzuschaffen und uns der Krankheit und dem Alter schutzlos zu überlassen. Die Entscheidung ist sicherlich schmerzlich. Dafür aber wäre sie wenigstens historisch!“

Vielleicht wird sich dann der Minister Androsch diese Rede anhören und um eine weitere Bedenkzeit bitten, vielleicht aber wird er den Vorschlag beherzigen und die Literatur wirklich abschaffen. In diesem Fall brauchte man keine Schriftsteller und also dürften die Autoren krank und alt werden ohne jegliche Hilfe und dann endlich krepieren und schließlich aussterben. Und dann hätte der immer noch nicht beschlossene Gesetzentwurf über den Bibliotheksgroschen sowieso keinen Sinn mehr.

Wäre das nicht die einzige, die einfachste, die kultivierteste Lösung? Österreich endlich literaturfrei!

Unsere gewählten Vertreter im Parlament schweigen und die Minister sind sich, wie man hört, noch nicht einig. Zudem: unsere Präschärgrup ist ja klein. Na also? Laßt uns doch schön leise zugrunde gehen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung