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Wo Streiten verbindet

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Am Nairobi International Airport warten einige Männer. Einer rückt sich die Wollmütze zurecht, ein anderer zieht an seinem Schal, ein dritter haucht in seine Hände. Nur wenige Passagiere entsteigen' der Nachtmaschine aus Frankfurt, steif und fröstelnd wie die Taxifahrer an der Tür.

„Hallo, ich warte für Mr. und Mrs. Schultes“. Eine freundliche Stimme mit englischem Akzent nennt unseren Namen. Sie gehört John Taylor. Mancher würde meinen, der Generalsekretär der 4. Weltkonferenz der Religionen für den Frieden hätte Wichtigeres zu tun. Er meint es nicht. Er holt, soweit nur irgendwie möglich, die meisten der beinahe 600 Teilnehmer persönlich vom Flughafen ab. Und redet nicht von Zeichen, sondern setzt sie.

Wir fahren zum Kenya Techno-logical Teachers College, einer Art Studentenheim am Stadtrand.

„Sie kommen also aus Wien. Herzlich willkommen“, begrüßt uns ein Inder, groß und hager, am Frühstückstisch, „wie geht es Kardinal König?“ Nicht nur er stellt uns diese Frage, viele tun es später noch. Erzbischof Fernan-des aus Neu Delhi, Präsident von Religionen für den Frieden“ seit deren Gründung im Jahr 1970, wohnt auch im Studentenheim.

Ein Mädchen kommt auf uns zu, eigentlich ein Lächeln. ,J.ch habe eure Koffer aufs Zimmer gebracht“, sagt sie. Auf unseren Einwand, wir hätten es schon selbst gemacht, weil sie alles andere als leicht wären, erwidert sie: „Als Kind habe ich viel Holz getragen, schweres Holz, hartes Holz. Ihr, ihr seid doch unsere Gäste.“ Rhadano, eine von etwa 50 freiwilligen Helfer(inne)n aus Kenia, unbezahlt. Wahrscheinlich unbezahlbar.

23. bis 31. August 1984. Neun Tage der Begegnung, multireligiös, multinational. Jeden Vormittag prägt eine Meditation, gehalten von Angehörigen einer jeweils anderen Weltreligion. Und immer sind alle dabei, die Buddhisten und Christen, die Hindus und Jains, Juden und Moslems, Kon-fuzianer, Shintoisten, Sikhs, Bekenner Zoroasters oder Anhänger alter Stammesreligionen aus Nordamerika und Afrika.

Dann wird gearbeitet und beraten. Drei Kommissionen (Glaube und Zusammenarbeit; Menschenwürde und Entwicklung; Abrüstung) teilen sich in Kleingruppen auf, kommen wieder ins Plenum, tauschen aus. Und immer wenn einer Gott sagt, hören andere Allah, Elohim, Vishnu. Bei Friede klingt auch eirene an, shanti, mir.

Dennoch: So ähnlich salam und schalom klingen, so hart prallen sie im Nahen Osten aufeinander. Es wird auch miteinander gestritten. Um Südafrika und die Apartheid, um den Sudan und die Scharia, um Atommächte und die Rüstungsspirale. Ob Streiten verbindet, ist nicht leicht zu entscheiden. Vielleicht trennt es weniger als Verdächtigungen und eisiges Schweigen.

Der Worte und Fotokopien sind viele. Der Taten auch, wenngleich nur zögernd. Der rasche Griff zur Brieftasche könnte verletzen, der Geldschein nur den Schein wahren. Zuerst muß Vertrauen da sein, Hinhören und Verstehen. Dann ist klar, daß die Frauengruppe im Kabiro-Elendsviertel sich selber helfen will.' Wohl kommt ein Team von „Religionen für den Frieden“ für die Kosten der Maschine auf, die Lehmziegel pressen soll. Aber gebaut werden die Hütten wie bisher, und zwar mit den eigenen Händen.

Anderes läßt sich ungleich schwerer beheben. Wie etwa der Hunger in Kenia, den niemand als die Trockenheit des heurigen Sommers gemacht hat. Ein Großprojekt läuft an. Noch während der Tagung übernimmt die japanische Sektion die Hälfte der acht Millionen Schilling. Die Jugendsektion der Weltkonferenz bietet an, selber an Ort und Stelle mitzuarbeiten. Vielleicht steigt auch die UNO wieder ein, wie damals bei ersten globalen Unternehmen für die Boat-People.

Die Kleinarbeit wird nicht vergessen. Nationale und regionale Gebets- und Arbeitsgruppen sind zu gründen. Vor allem in Europa muß noch viel an Information geleistet werden. Auch in Österreich, wo eine Sektion von „Religionen für den Frieden“ im Aufbau begriffen ist.

Der Autor ist Professor an der Religionspädagogischen Akademie in Wien und für die Österreich-Sektion der „Religionen für den Frieden“ zuständig.

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