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Zeitliches

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Die fünfundzwanzig Prozent unserer Mitbürger, die laut Inf ratest einmal in der Woche die Wäsche wechseln, denken dabei zweifellos: Wie doch die Zeit vergeht.

Die, denen der heimische Rund- * funk täglich einzureden versucht, daß diese im Bild sei, denken sich von der Zeit verblüfft dasselbe, aber jeden Tag während der so genannten Sendung zur gleichen, Zeit nämlich. Und sie hat j a, außer daß sie sich von ein paar Fadisier-ten fallweise und vorübergehend totschlagen läßt, tatsächlich kaum etwas anderes zu tun, als zu vergehen.

Man sagt ihr allerdings einiges, meist Unbeweisbares, nach. Sie bleibt, so hört man, minutenlang stehen, meist gerade dann, wenn dies völlig unerwünscht ist, und rast hinwiederum, genauso den subjektiven Sehnsüchten konträr, dahin. Sie gibt sich sommerlich und winterlich, macht Philosophen, Astronomen und Meta-physiker zu schaffen, ist irreversibel und heilt angeblich Wunden. Vielerorts wird empfohlen, man möge mit ihr gehen. Auch werden Schriften, Lupen, Zeichen und Zünder nach ihr benannt, von den Zeugen ganz zu schweigen.

Das Los der Vergänglichkeit teilt sie mit dem ihr oft gleichgesetzten Geld, wohingegen beider Zukunft getrennt zu sehen ist: die Zeit hat eine, das Geld nicht unbedingt. Dem einzelnen erscheint sie in vielerlei Gestalt. Für manche kommt mit ihr ein Rat einher, viele fürchten sich vor ihrem Geist, einige nehmen sie sich, für Nutzloses wie für Sinnvolles, und ein paar haben gar keine.

Die meisten jedoch wissen mit ihr nichts oder wenig anzufangen und erkennen das erst, wenn sie zu knapp wird. Fast alle aber haben kein Gefühl für sie, weshalb der Mensch als Krücke für die abhandengekommene Empfindung die Uhr erfunden hat. Das aber hat der Zeit gerade noch gefehlt. Seither läuft sie uns davon.

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