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Ziel ist Einmütigkeit

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Zu Professor Zulehners „Anmerkungen" drei Anmerkungen meinerseits:

1. Stellvertretender Vorsitzender des Pfarrgemeinderates: In der der PGR-Ordnung angeschlossenen Handreichung, die für deren Verstehen und Anwenden normativ ist (siehe Promulgationsdekret!), ist festgehalten, daß der Pfarrer dem Stellvertretenden Vorsitzenden die Sitzungsleitung teilweise übertragen kann. Dies wird beispielsweise dort von Bedeutung sein, wo der Pfarrer nicht mehr im Ort wohnt, weil er zwei oder gar mehrere Pfarren zu betreuen hat Außerdem: Werden sich nicht die Pfarrgemeinderäte auch zur Vorbereitung verschiedenster Formen pfarr-lichen Lebens treffen, ohne schon eine „Sitzung" im technischen Sinn abzuhalten? Und dies ist sicher auch ohne den Pfarrer möglich. Weiters: Eine Pfarre, die im Rechtssinn längere Zeit, wie Zulehner angibt, „vakant" ist, gibt es nicht, dafür sorgen schon die Vertretungsregeln des Kirchenrechts.

Ein „Selbstversammlungsrecht" des PGR als „Pfarrgemeinderat" im technischen Sinn ohne den Vorsitzenden, den Pfarrer, ist freilich von der PGR-Ordnung nicht vorgesehen und kann wohl auch nicht wirklich erwünscht sein, dies gerade im Sinn der vom Diözesanforum und von der PGR-Ordnung-Handreichung so gewünschten Einmütigkeit zwischen Pfarrer, PGR und gesamter Pfarrgemeinde.

2. „Beratendes Stimmrecht": Hier ist zunächst einmal der Vollständigkeit halber festzuhalten, daß dieser Passus nur für Beschlüsse in pastoral-seelsorglichen Fragen gilt. In vermögensrechtlichen Angelegenheiten kommt dem PGR nach wie vor beschließendes Stimmrecht zu. Dies gilt jedenfalls seit Inkrafttreten des neuen CIC (1983) und wurde vor drei Jahren ineiner Novellierung der Pfarrgemeinderatsordnung dokumentiert.

Beratung ist nun in der Tat nicht nur im Sinne von Lebens- oder Krisenberatung zu verstehen, wie Zulehner anmerkt. Es gibt ein vom Recht vorgesehenes Ratgeben und auf Rat hören, das sogar zur Gültigkeit des Handelns auf Seiten des zu Beratenden gehört. Hier bloße Unverbindlichkeit des Ratgebens zu orten, scheint weder zutreffend noch besonders fair zu sein. Rechtsschutz - eine Berufungsmöglichkeit - ist sehr wohl gegeben: zwar nicht mehr vor einem Schiedsgericht, sondern durch die selbstverständliche Möglichkeit, sich im Konfliktfall an den Ordinarius (zuständiger Bischofsvikar, Generalvikar, Erzbischof) zu wenden, der die Sache zur Klärung und Entscheidung führen wird. Dabei ist die anzustrebende Einmütigkeit das hohe, zutiefst christliche Ziel, und zwar nicht bloß als „ethisches" Postulat, sondern als - im richtigen Verständnis des kanonischen Rechts - rechtliche Verpflichtung.

Jedes Gesetz hat Grenzen

3. Entscheidend ist, wie eine gegebene Rechtsordnung gelebt wird: Das beste Gesetz wird sich in Tyrannei des Buchstabens verkehren, wenn der Geist der Anwender von Kleinlichkeit, Ignoranz, letztlich Hoffnungslosigkeit geprägt ist - von bösem Willen ganz zu schweigen. Damit sind bereits die jedem Gesetz mitgegebenen Grenzen angeklungen: Der Anwender des Gesetzes ist der begrenzte Mensch, der wohl ein Ethos (= Standort) hat, aber doch Weisungen - auch in Gesetzesform - braucht, um den Weg zu finden, der ihm - als gläubigem Christen - inder Kirche zu gehen aufgegeben ist. Zeichen von Reife ist es, mit dem gegebenen Instrumcntar (mehr ist und will eine PGR-Ordnung nicht sein) leben und wirken zu können, es nicht zu mißbrauchen - weder durch Mißachtung noch durch Über-strapazierung.

Der Autor ist Ordinariatskanzler der Erzdiözese Wien und Pfarradministrator von Senning.

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