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Hiob — heute
Das Buch Ijjob. Hebräisch und Deutsch. Uebertragen und mit Text- und Sacherläuterungen versehen von Fridolin Stier. Kösel-Verlag, München. 362 Seiten
Das Buch Ijjob. Hebräisch und Deutsch. Uebertragen und mit Text- und Sacherläuterungen versehen von Fridolin Stier. Kösel-Verlag, München. 362 Seiten
Dieser „ljjob“ ist eine Glanzleistung neuester katholischer Bibelkunde, die wirklich alle Beachtung verdient, vor allem gilt dies für die Uebersetzung. Gerade weil Stier das Original ein „ästhetisch vollkommenes Gebilde alt-hebräischer Erzählkunst“ nennt, hat er es als solches behandelt und es uns auch als Kunstwerk wiedergegeben. Schon allein äußerlich: die schöne, kräftig-herbe Uebersetzung tritt uns nämlich von einem Blattspiegel entgegen, der weder von konjekturalkritischen, noch von sonstigen Erläuterungen durchbrochen wird. Rechts steht die Uebertragung und links der hebräische, unvokali-sierte Text in wunderbar gedruckten Lettern. Wer Hebräisch versteht, freut sich über die Vergleichsmöglichkeit, wer unkundig ist, freut sich an dem kolometrisch gegliederten Bild, das schon rein optisch die Konkordanz zwischen Original und Uebertragung vermuten läßt.
Der stattliche und prachtvoll gedruckte Band beginnt mit der Uebersetzung (S. 1 bis 213), der ein literar-theologischer Kommentar folgt (S. 217 bis 257). Hier wird mit Recht die Meinung vertreten, daß der „heroische Dulder“ nicht Haupt-, sondern Nebenmotiv ist; auch sieht Stier in diesem Bibelbuch nicht den Niederschlag einer Vergeltungslehre, sondern eine Andeutung, daß Gottes Welt ein „Mysterium“ ist, eine ganz „andere“, „fremde“ Welt, in die Ijjob schließlich hinübergeholt wird, um dann verwandelt und bekehrt zu werden. Diese Lehre entwickelt sich nicht in einer (platonisieren-den) Dialogform, sondern in genau gegliederten Reden und Entgegnungen mit prozessualem Charakter. „Prozeßreden werden gewechselt, nicht Gespräche oder Dialoge geführt. Schuld oder Unschuld stehen zur Debatte.“ Auch in dieser Anordnung zeigt sich das Buch als ein vollendetes Kunstwerk, das von der Zahl 3 beherrscht wird, denn es enthält (mit einer Ausnahme) je drei Reden der drei Verteidiger, dreimal drei Entgegnungen Ijjobs, drei Reden Elihus und drei Entgegnungen Jahwehs. Stiers Kommentar ist vielleicht manchmal etwas schwerfällig formuliert, aber er geht in die Tiefe und deutet eher tastend mögliche Lösungen an. Aber warum verschweigt er seine Meinung über die Reden Elihus und begnügt sich mit einem bescheidenen „Wir vermochten es nicht“?
Im zweiten Teil (S. 260 bis 353) mit den überaus reichen und sachkundigen Text- und Sacherläuterungen, distanziert er sich erfreulicherweise vom „heroischen Zeitalter der Konjekturalkritik“, indem er den Konsonantentext im allgemeinen unberührt läßt und nur der „vokabularischen Konjektur“ gerne einen Platz einräumt.
Das Postskriptum (S. 3 57 bis 362) enthält Stiers Uebersetzungskredo, dem er in seiner Uebertragung tatsächlich treu geblieben ist. Die Inkommen-surabilität der Sprachen voraussetzend, verteidigt er das Recht der Originalsprache, die in possessione ist. Diesem Tatbestand muß die Uebersetzung versuchen, gerecht zu werden mit allen Mitteln, auch mit Hilfe von Neuworten. „Es gilt, der Bibel nach dem Munde zu reden, .ungeschminkt, wie diese es will.“ Darum darf man die starken Worte Ijjobs nicht abschwächen, sie weder „veredeln“, noch sie umgangssprachlich „verwässern“. Das Resultat ist verblüffend, denn wer Hebräisch versteht, hört das Original in dieser Verdeutschung durchtönen und kommt zu diesem Schluß: Was Buber-Rosenzweig angefangen haben, wurde von diesem katholischen Bibelübersetzer vollendet! Der Anfänger wird sich vielleicht noch an Satzbildungen und Verkürzungen gewöhnen müssen, wie:
„Fortfuhr Ijjob, seinen Spruch vorzutragen, sprach:“, oder„Kommts nun an dich, da trägst du schwer, triffts dich selber, bist entsetzt“, aber wenn er sich ein wenig eingelesen hat, wird er die herbe Schönheit vollständig auskosten. Dabei zeigt sich, wie gerade die deutsche Sprache sich für Neubildungen wunderbar eignet, wie „Tiefschlaf“, „Frührot“, „Treuhuld“, „Allwalt“ (schaddaj, omni-potens), oder „Geisthauch“ (ruach = Geist und gleichzeitig Hauch, Atem); anderseits kommen drastische Ausdrücke aus dem Original gut zu ihrem Recht, wie „Großsprach“, „Maulheld“ und „Graukopf“. Aber nicht nur in der Wortwahl sucht Stier sich dem Original zu nähern, sondern auch im hebräischen Rhythmus, indem er die zweigliedrigen Verse beibehält, die meistens auf dem Metrum von drei oder vier Hebungen aufgebaut sind und die daher in der Uebersetzung in ebensovielen sprechbaren Takten wiedergegeben werden:
„Gießt / Verachtung / auf die Edlen,löst / den Gurt / der Starken.“ Oder ausnahmsweise kürzer und kräftiger in zwei Takten:
„Mein Geist / zerrüttet,meine Tage / verlöscht,mein ist das / Grab.“
Und wenn die meisten Uebersetzungen das Ende folgendermaßen wiedergeben: „Und dann starb H., alt und hochbetagt“, dann lesen wir bei Stier (und auch schon bei Luther)- „satt an Tagen“
Nur ein kleiner Hinweis: der Mann, der sich — neben Buber-Rosenzweig und A. Bea — in neuester Zeit auch mit Uebersetzungsproblemen beschäftigt hat, ist Valery Larbaud: „Sous l'invocation de Saint leröme.“
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