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Neuer Ausdruck für Bekanntes
Im Artikel 88 des Vertrags von St. Germain heißt es unter anderem: „Die Unabhängigkeit Österreichs ist unabänderlich (inaliėndble)... übernimmt Österreich die Verpflichtung, sich außer mit Zustimmung des Völkerbundrates jeder Handlung zu enthalten, die mittelbar oder unmittelbar oder auf irgendwelchem Wege, namentlich im Wege der Teilnahme an den Angelegenheiten einer anderen Macht, seine Unabhängigkeit gefährden könnte.“
Verosta erklärt seine These folgendermaßen: „Die dauernde Neutralität der Republik Österreich datiert vom Jahr 1955. Ihre Wurzeln und Ansätze reichen aber zurück bis zur Auflösung der Donaumonarchie 1918. Sie liegen in der geopolitischen und strategischen Bedeutung der altösterreichischen Länder, die sich 1918 als eigener Staat konstituiert hatten und die — wie die benachbarte Schweiz 18f5 — aus allen Einflußsphären herausgehalten werden sollte. Das bestimmte den internationalen Status, den die Pariser Friedenskonferenz 1919 für die Republik Österreich formuliert und den diese angenommen hat."
Daran ist gar nichts neu. Ähnliche Ansichten haben vor ihm Raab, Kreisky, Tončič und andere Politiker in der Öffentlichkeit vertreten, ohne daß ihnen widersprochen worden wäre. Neu ist nur der Ausdruck für einen allgemein bekannten Tatbestand. (Verosta sagt zwar, er habe den Ausdruck Kelsen entliehen; jener hat ihn allerdings für die Umschreibung eines ganz anderen Tatbestandes verwendet,
wie Verosta auch hervorhebt.) Bemerkenswert erscheinen eigentlich vor allem Verostas ausgewogene Formulierungen.
2. Österreichs EWG-Bestrebungen und das politische Gleichgewicht in Europa: Wieder soll Verosta zitiert werden, da gerade diese These häufig falsch wiedergegeben oder zumindest mißverstanden wurde. „Die Lösung (wie die Rechtspflichten det dauernd neutralen Staaten mit den Interessen der EWG-Länder und mit dem besonderen System der EWG in Einklang gebracht werden kann, H. M.) wird... weniger von völkerrechtlichen Argumentationen beeinflußt werden, sondern von der Entscheidung der politischen Frage durch die zuständigen politischen Stellen, ob ein Nahverhältnis zur EWG die politische Unabhängigkeit und dauernde Neutralität der Republik Österreich und damit das politische Gleichgewicht in Europa stören wird, in dem die Unabhängigkeit und dauernde Neutralität Österreichs ein festes völkerrechtlich verankertes politisches Element bildet. Diese politische Prognose kann weder juristisch noch sonst ,wissenschaftlich“ gemacht werden.“
Verosta trifft hier genaugenommen zwei Aussagen. Einerseits weist er auf den engen Zusammenhang zwischen der österreichischen Neutralitätspolitik und dem politischen Gleichgewicht in Europa hin (ähnliche Formulierungen lassen sich auch bei Kreisky und Tončič nach- lesen). Anderseits zieht er eine klare Linie zwischen dem politischen Entscheidungsträger und dem Völkerrechtsberater.
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