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Groß auf Papier

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Von den rund zwei Millionen österreichischen Jugendlichen erfaßt der österreichische Bundesjugendring — nach den Angaben der Mitgliedsorganisationen — etwa ein Viertel. Wer aufmerksam die Entwicklung der einzelnen Gruppen in den letzten Jahren verfolgt hat, steht diesen Angaben skeptisch gegenüber. Von den 18 Organisationen, die im Bundesjugendring zusammengeschlossen sind, hat bisher einzig und allein der Mittelschülerkartellverband Farbe bekannt und in einem Gesamtverzeichnis in seinen Mitgliederstand Einblick gewährt Jeder zehnte höhere Schüler ist Mitglied des MKV. Dieses Beispiel hat jedoch keine Schule gemacht — die restlichen Organisationen hüllen sich in Schweigen. Unter ihnen auch der Verband Sozialistischer Mittelschüler der dem Papier nach 7200 Mitglieder zählt, die in 180 Gruppen zusammengefaßt sind. Stimmen diese Angaben? Ein Aufruf bei der Bundesführung des VSM genügt, um diese Angaben bestätigt zu finden. Wesentlich anders verhält es sich aber dann, wenn man versucht, die einzelnen Landesorganisationen um die Mitgliederzahlen zu befragen: Addiert man die Angaben der Länder, so halbiert sich bereits die MitgliederzahL Diese Kon-

trolle ist bei einer Organisation in der Größenordnung des VSM noch möglich. Unmöglich ist es aber, den tatsächlichen Mitgliederstand der „großen“ ÖBJR-Organisationen nachzugehen: Die Katholische Jugend Österreichs hat auf dem Papier die astronomische Zahl von 112.000 Mitgliedern, die Katholische Jungschar zählt mehr als 90.000 organisierte Kinder, die Junge Generation in der ÖVP gibt 43.000 und die Sozialistische Jugend 30.000 an. Auch bei diesen Angaben sollte der Wahrheit die Ehre gegeben werden. Die österreichischen Jugendorganisationen repräsentieren heute einen „Funktionärewasserkopf“, dem die Basis fehlt

, Warum lügen sich die Verbände aber selbst in den Sack?

Es geht ums Geld

Der wesentliche Grund ist im Bundesjugendring selbst zu suchen: dort wird mit der Größe und „Stärke“ aufgetrumpft, vor allem, wenn es um die Verteilung des Bundesjugendpla-nes geht Von den 21 Millionen Schilling, die heuer im Budget für den Bundesjugendplan veranschlagt sind, versucht jeder ein möglichst „großes Stück“ zu bekommen. Und dabei zahlt der Ehrliche die Zeche. Es liegt nun an der Führung des

Bundesjugendringes, in dieser Frage einen reinen Tisch zu machen: Mit dem Beschluß des ÖBJR-Vorstandes vom 15. Jänner wurden der Bund europäischer Jugend und die österreichische Jungarbeiterbewegung neu in den Ring aufgenommen. Von der österreichischen Naturschutzjugend und der kommunistischen Freien österreichischen Jugend liegen Aufnahmeansuchen bereits vor. Der Kreis der Mitnascher am „Kuchen des Bundesjugendplanes“ wird somit immer größer, ohne daß entsprechende zusätzliche Mittel zur Verfügung stehen würden. Ja, es ist sogar möglich, daß ein Aufnahmeansuchen deshalb abgelehnt wird, weil die ÖBJR-Organisationen um die Verringerung ihres Anteiles fürchten. Ein möglicher Weg ist über glaubwürdige Mitgliederzahlen zu suchen: Damit wäre gewährleistet, daß zum ersten tatsächliche Jugendarbeit — und nicht organisatorischer Aufwand für nichts und wieder nichts — gefördert würde. Am 4. April tritt in Wien die nächste Vollversammlung des ÖBJR zusammen. Nach außen hin steht sie im Zeichen der Feierlichkeiten anläßlich “•r „25 Jahre Zweite Republik“, hinter den Kulissen werden die Bemü-■ngen um die Neugestaltung des Ringes stattfinden.

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