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„Hier handelt es sich um Hetzerei”

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Der Friedenssprecher der Grünen, Severin Renoldner, gelernter Theologe, seinerzeit Assistent am Institut für Moraltheologie in Innsbruck, hat sich in die Debatte über Konkordat, Verhältnis von Kirche und Staat in Osterreich, „Privilegierung” katholischer Privatschulen und obligatorischen Religionsunterricht eingeschaltet und der furche seine teilweise scharfen Kritikpunkte an der Argumentation der Liberalen-Klubobfrau Heide Schmidt kundgetan. Grundsätzlich glaubt Renoldner, daß Heide Schmidts Anliegen „populistisch” sei; sie ziele letztlich darauf ab, mit ihren Hinweisen auf die angeblich staatlich gewährten „Privilegien” für die Kirche „die Wut des Steuerzahlers zu entfachen”. „In einem Staat mit einem Budget von 700 Milliarden Schilling wird sich immer irgendjemand finden, der über irgendeine Ausgabe zornig wird”, sagt Renoldner und verweist in diesem Zusammenhang darauf, wie man etwa auch Kultursubventionen populistisch ausschlachten könnte.

Diese „grundsätzliche Argumentationslinie” in Diskussionen um kirchliche „Privilegien” dürfe man „nicht verfolgen”, man müsse „präzise sagen”, wo die Kirche privilegiert wird. Bisher war ihm der Beitrag von Heide Schmidt dazu zu wenig substantiell. Mit dem Konkordat könne man diesbezüglich überhaupt nicht argumentieren, meint Benoldner, weil es das Finanzielle gar nicht regelt. „Daher muß ich folgern, daß es sich um eine Hetzerei handelt nach dem Stil: Liebe Steuerzahler, euer Geld wird für diese Idioten mißbraucht”, wird der Grüne ganz scharf.

Damit geschehe der Kirche aber großes Unrecht. „In der Buchhaltung kann man der Kirche nicht sehr viel vorwerfen. Und übrigens sind die und Theologe Severin Renoldner ist völlig überzeugt davon, daß die Kirchen dem Staat mehr bringen als sie ihn kosten.

kirchlichen sozialen Leistungen ungleich mehr wert.” Wenn man über den Kirchenbeitrag rede, gegen ihn argumentiere, dann dürfe man das nicht mit dem Konkordat verknüpfen, weil das damit nichts zu tun habe. Die geschichtliche Entwicklung, beispielsweise bei der Adressenübermittlung via Meldezettel, könne selbstverständlich weiterdiskutiert werden. Wo sich der Staat überhaupt nicht einzumischen brauche, „und schon gar nicht die Liberalen”, sei die Misere, an der die Kirche selber schuld sei, etwa wenn sie immer weniger Mitglieder habe; das müsse Sorge der Kirche sein.

Über Subventionen könne man diskutieren, gibt Renoldner zu, nur müsse man genau sagen, über welche. „Was tut man, wenn es um Bausubstanz geht, die ohne die Kirche nicht da wäre? Wenn irgendwo eine Barockkirche saniert werden soll? Mir gefällt Barock nicht sonderlich, soll ich jetzt deswegen gegen die Subvention der Sanierung sein? Auf der anderen Seite würde vieles verfallen, ist's da nicht gescheiter, man saniert? Denn es gibt - ohne die Kirche - nur zwei Möglichkeiten: man läßt den Sakralbau verfallen oder ein staatliches Kirchenamt wird zuständig. Wenn ich dann daran denke, was die Kirche bei Restaurierungsarbeiten durch Robotarbeit der Revölkerung dem Staat an Kosten erspart - nur die Kirche kann Menschen so motivieren. Der Staat kann das nicht.”

Severin Renoldner hebt diesbezüglich auch die Aktivierung eines sinnvollen sozialen Lebens durch die Kirche hervor, wenn beispielsweise für ein gemeinsames Ziel wie Kirchenrestaurierung Flohmärkte, Kuchenbacken und so weiter organisiert würden. „Ohne die Kirche und ihre soziale Motivierungsarbeit würde so manches den Staat das Zehn- oder Hundertfache kosten. Dazu wäre der Staat gar nicht in der Lage.” Renoldner bringt hier das Negativbeispiel Frankreich, wo die Trennung von Kirche und Staat extrem besteht, und aufgrund der nicht bestehenden Vernetzung viele wertvolle romanische Kirchen in den Gemeinden und Dörfern verfallen. „Also ich verstehe diesbezüglich den Ansatz von Frau Heide Schmidt nicht. Die Folgen, wie Sie sehen, wären ein Wahnsinn für die Kultur.” Auch das für die Kultur Innovative, das die Kirche leistet, wäre nach Ansicht Renoldners mit der strikten Trennung gefährdet, alle Versuche, beispielsweise bei Kirchenneubauten etwas Neues zu schaffen.

Dann geht der Grüne Parlamentsabgeordnete auf die karitativen Projekte der Kirche ein: Auch hier, stellt er fest, werde unendlich viel unentgeltlich gemacht; besonders hebt er die Nachbarschaftshilfe, die Arbeit an der Peripherie, am Rande der Gesellschaft hervor. „Man sieht das Redürf-nis ja in Gemeinden, wo kein Pfarrer mehr da ist, die wollen wenigstens noch einen halben Pastoralassistenten haben. Also wenn man das alles summiert, dann schrumpft das, was der Kirche da an Privilegien vorgehalten wird, schon sehr zusammen.”

Dabei lehnt es Renoldner gar nicht ab, sich das kirchliche Rudget genau anzuschauen. Aber es gehe nicht um die Grundsubstanz, sondern um das rechte Steuern - „meinetwegen auch durch Boykott oder Kirchenbeitragsumwidmungen”. „Wir müssen über alles ohne Tabu reden”, darin trifft sich Benoldner mit der Liberalen-Ob-frau. „Auch über das, was mit Herabwürdigung religiöser Lehren durch Kunst und Künstler - Stichwort: Achternbusch - gemeint ist, wo die Kirche ihre Interessen verteidigt. Eine wirkliche Verspottung gehört bestraft. Aber die Kirche lebt doch nicht vom Meldezettel oder von der Herabwürdigung religiöser Lehren - das ist doch eigentlich peripher und kann man auch jederzeit ändern.”

Renoldner glaubt, daß das Volksbegehren Ö.K.O.S ~ Österreichische Kirchen ohne Staat - eine gewisse „Vorarbeit” zu den „liberalen” Überlegungen Heide Schmidts geleistet haben könnte. In diesem Volksbegehren wird darauf hingewiesen, daß die Kirchen und staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften insgesamt jährlich mehr als 15 Milliarden vom Staat verschlingen (darunter die größten Posten: die staatlich bezahlten Religionslehrer mit 5,65 Milliarden Schilling und die Privatschulen, deren Förderung mit fünf Milliarden Schilling veranschlagt wird).

Wie Heide Schmidt ist auch Severin Renoldner dafür, daß die Möglichkeiten für Privatschulen ausgeweitet gehören, das wäre eine sinnvolle Bereicherung, meint auch er. Wollte man aber die staatliche Subventionierung kürzen, dann wären die Privaten „nur für die Superreichen” zu bezahlen.

Auch hinsichtlich der theologischen Fakultäten, Renoldner spricht da aus eigener Erfahrung, sei der Betrag, den Ö.K.O.S. als staatlichen Beitrag angibt, nämlich 530 Millionen Schilling, eine durchaus sinnvolle Subvention, zumal gerade der Beitrag der theologischen Fakultäten zum heute derart wichtigen interdisziplinären Gespräch von allen anderen Fakultäten anerkannt werde.

Religion, meint Renoldner, sei nie reine Privatsache, sondern immer öffentlich. Die Forderung, Religion zur Privatsache zu machen, führe zur „Stunde der Fundamentalisten”, deren Bestrebungen dann ohne Kontrolle Tür und Tor geöffnet wären. „Die sind letztlich die Partner von Frau Heide Schmidt: Will sie, daß die Institute des Herrn Bischofs Krenn oder eines Herrn Abdelrahimsai die Szene in Österreich bestimmen?”

Zum Konkordat meint Renoldner noch, daß es ein „Friedensschluß” zwischen Kirche und Staat in Österreich war. „Und mit der katholischen Kirche als ,Machtfaktor' wird dieser Staat leben müssen. Schauen wir, daß die anderen, die keine destruktiven Kräfte sind, das gleiche kriegen - und seien wir froh, daß die Kirchen mit ihrer Motivierung uns etwas bringen. Die Liberalen sollten wissen, daß ein staatlicher Beamter Menschen keinen Sinn geben, keine Werte vermitteln kann. Den Jugendlichen möchte ich sehen, der sich von einem staatlichen Beamten etwas über persönliche und soziale Werte sagen läßt.”

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