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Recht oder „politische Beweggründe“?

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Die Unentschlassenheit der Großmächte gegenüber dem österreichischen Verlangen nach Rückgabe Südtirols offenbart sich in einer ganzen Kette nacheinander sich korrigierender Meldungen über die Stellungnahme der Pariser Außenministerkonfrenz. Bezeichnend für die leider oft' etwas verworrenen Einstellungen in den westlichen Demokratien zu dieser Frage ist ein Artikel des englischen Parlamentariers Antony Nutting im Londoner „Spectator“, in dem Mr. Nutting zu dem Satz gelangen konnte: es sei klar, daß Italien erlaubt werden solle, Südtirol zu behalten, das mit seinen Wasserkräften von größter Wichtigkeit für die Zukunft der italienischen Industrie, aber gänzlich unwichtig für Österreich sei, das durch hohe Gebirge von Südtirol getrennt sei. — Die Wichtigkeit Südtirols für Österreich und der Wille bezüglich des Wasserkraftproblems zu einer friedlichen Lösung mit Italien zu kommen, wurde von Österreich aus oft und unzweideutig klargestellt.

Daß Mr. Nutting keine nähere Kenntnis der bei einer Beurteilung der österreichischen Rechtsansprüche in Betracht kommenden historischen, - nationalen und kulturellem Gesichtspunkte besitzt, mag erklärlich sein, aber überraschend ist es, daß der englische Parlamentarier sein Urteil offenkundig geschöpft hat selbst ohne nähere Kenntnis der österreichischen amtlichen Darlegungen. — Die Landsleute Mr. Nuttings, die im Kriege gedient und andere Hindernisse als die Brennerhöhe überwunden haben, werden nicht wenig erstaunt sein, aus seinem Artikel zu erfahren, daß höhere Gebirge, die durch ein halbes Jahrtausend die Einheit des Landes Tirols nicht getrennt haben, nun auf einmal in der Zeit der Flugzeuge, modernen Bahnen und Autohochstraßen eine Scheidewand bilden.

'Noch in derselben Nummer gibt die Redaktion der „Spectator“ in einer Glosse dem Verfasser eine erquickende Antwort: Bei aller Anerkennung für seine Kenntnisse müsse doch gesagt werden, daß Österreichs Anspruch doch bei weitem stärker sei als der Italiens. ,

„Das Schicksal dieses Gebietes hätte niemals so geregelt werden sollen, wie es im Jahre 1919 ' tatsächlich geschah. Daß d a s Land ursprünglich rein österreichisch war und daß die Italien!-si.erung nicht gelungen ist, steht fest. Auch die Wünsche der derzeitigen Bewohner des Landes stehen außer Zweife 1.“ Die Glosse schließt mit dem Satz: „Südtirol war unrechtmäßig an Italien gegeben worden, zur Zeit, als Italien ein Verbündeter von Großbritannien und Frankreich war. Nur wenig Entschuldigungsgründe könnten dafür gefunden werden, es bei Italien zu belassen, das in diesem Kriege gegen England und Frankreich stand.“

Aus den Communiques der Pariser Außenministerkonferenz ging vorläufig noch nicht hervor, ob der Fall Südtirol von oben her, ohne Befragung der Betroffenen, geregelt werden oder ob die sooft angeregte Volksabstimmung stattfinden soll. . Im Prinzip ist ja auch Italien mit Volksbefragungen einverstanden. Denn wie wären sonst die Worte Degasperis aui dem

Parteikongreß der christlichen Demokraten zu verstehen, als er, von Verfassungsfragen redend, erklärte:

„Die Volksabstimmung ist die demokratischeste Methode, um schwierige Probleme zu lösen, denn sie ist eine friedliche Methode, die sich in voller Freiheit vollzieht.“

Also, ihr Mächtigen der Welt, laßt das Volk Deutsch-Südtirols sprechen! Wir Österreicher stimmen mit Degasperi überein: Das ist die richtige demokratische Methode. Wer wollte- sie nicht?

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