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Was Norbert Burger noch 1966 ungestraft machen durfte, wurde ihm 1967 zum Verhängnis. In dem vom deutschen Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ veröffentlichten Interview hatte Burger nicht mehr gesagt alt in mehreren Interviews des Vorjahrs. Sein ungeschminktes und öffentliches Bekenntnis zur Gewalt, zum Verbrechen, vor kurzem noch von den österreichischen Behörden allzu großzügig toleriert, war nun plötzlich Grund genug, ihn verhaften zu lassen. Im Vorjahr brachte die Behauptung, Burgers Terrorankündigungen würden^ den dem Bundesminister für Justiz unterstellten Anklagebehörden ausreichende rechtliche Möglichkeiten zu eitnem energischen Vorgehen gegen Burger geben, dem Verfasser dieser Zeilen den Vorwurf des Justizministers, „das Vertrauen in Österreich als einen Rechtsstaat zu erschüttern“. Doch acht Monate später konnte der Rechtsstaat Österreich plötzlich handeln. Und er handelte so, wie es schon seit langem möglich und notwendig gewesen wäre.

Es war nicht die unveränderte rechtliche, sondern die entscheidend veränderte politische Konstellation, die Österreichs in der Causa Burger bisher so auffallend zurückhaltenden Behörden zum Eingreifen zwang. Dazu zählte vor allem, daß die italienische Regierung brutal, aber zielsicher zu verstehen gegeben hatte, die mangelnde Bereitschaft Österreichs, gegen die Prediger des verbrecherischen Terrors alle legalen Mittel einzusetzen, werde in Brüssel nicht ohne Auswirkungen bleiben. Und dieser eher simple Schachzug der italienischen Politik reichte aus, um den Sand aus dem Getriebe der österreichischen Gesetzesvollziehungsmaschine zu blasen. So einfach war das.

Es war aber keineswegs notwendig, daß der für Österreich peinliche Eindruck entstehen mußte, erst nach einer weiteren Mordserie und nach massivem italienischem Druck habe sich Österreich dazu bequemt, ernsthafte Maßnahmen gegen die Drahtzieher des Terrors zu ergreifen. Burger, prominenter Sprecher und Propagandist der Terroristen, hatte die sogenannte „Verschärfung der Untergrundtätigkeit“ doch deutlich genug angekündigt: in Interviews, in mehreren Artikeln, in seinem Buch; weshalb letzteres auch sofort beschlagnahmt wurde — in Deutschland; nicht in Österreich, wo es weiterhin vertrieben werden darf. Daß die zuständigem Behörden, wenn man nur ernsthaft gewollt hätte, Burger schon viel früher jede Möglichkeit zu seiner „propagandistischen“ Aktivität hätte nehmen können, bestätigt der Ausgang des Prozesses, den Burger gegen „Die Furche“ angestrengt hat. Das Urteil des Strafbezirksgerichts Wien, das in der vergangenen Woche von der Berufungsinstanz endgültig bestätigt wurde, stellte eindeutig fest, daß der „geäußerte Verdacht der neuerlichen Verübvmg von Straftaten nach dem Sprengstoffgesetz durch den Privatankläger (Burger) begründet“ gewesen sei.

Aber man war erst im Juli 1967 dazu bereit, das auszuführen, was schon viel früher fällig war. Italien kann jetzt erst recht darauf verweisen, daß Österreich mehrere Jahre hindurch zu wenig gegen die Terroristen unternommen hat: Ein Vorwurf, auf den Österreich dann richtig reagiert, wenn zumindest in der Zukunft allen Predigern des Terrors das Mäntelchein der Legalität genommen wird.

Doch das alles hat — wer könnte daran zweifeln — natürlich überhaupt nichts mit Politik zu tun, sondern n/fr mit dem Rechtsstaat.

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