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Jetzt gibt es Franz Königs starkes Vermächtnis für "The Tablet" auch auf Deutsch. Zuletzt wurde der Kardinal extrem konkret.

Einen "verschärften Kardinal" entdeckte Otto Friedrich mit Recht in der Besprechung des Bandes "Open to God, Open to the World" (Furche 25/05) und wünschte sich für die angekündigte Ausgabe in Deutsch eine druck-und bindetechnisch weniger mickrige Aufmachung. Jetzt ist die deutsche Version da, und der Herder-Verlag hat auch diese Bitte erfüllt: Ein gut lesbares, ordentlich gebundenes Hardcover-Buch rekapituliert in bewundernswerter Dichte noch einmal das pastorale Vermächtnis des 52-Jahre-Bischofs: aus einer Position der kirchlichen Mitte katholischen Glauben in der heutigen Welt weder relativierender Beliebigkeit noch weltflüchtiger Frömmelei auszuliefern, sondern im Alltag lebbar zu machen. Die nunmehr 176 Seiten (nach 143 englischsprachigen) sind deutlicher als alles, was man bisher auf Deutsch vom Kardinal zu lesen bekommen hat.

Offen fürs Englische

Die neue Ausgabe enthält auch ein Vorwort seiner langjährigen Büroleiterin Annemarie Fenzl. Sie hebt die bekannte Vorliebe Franz Königs für die englische Lebensart und vor allem die englische Sprache hervor, in der er oft auch betete und vorzugsweise Brevier las: "Er war der Meinung, dass in ihr vieles schöner und klarer ausgedrückt werden konnte."

Und so hat er sich gerne auch mit der Wien-Korrespondentin der katholischen Londoner Zeitung The Tablet, Christa Pongratz-Lippitt, über Religion und Kirche unterhalten. Sie hat diese bis knapp vor seinem Tod geführten Gespräche aufgezeichnet und dann redigiert herausgebracht. Der Sonntag, die Kirchenzeitung der Erzdiözese Wien, hat Ausschnitte aus Königs "Dialog mit Gott" abgedruckt, und in der Tat hat auch er das persönliche Gebet für den wichtigsten aller Dialoge gehalten. Aber die kirchenpolitisch brisanten Formulierungen findet man natürlich anderswo.

Bischöfe sind "nicht, wie manche vielleicht meinen, Gesandte des Papstes" und auch "nicht als Stellvertreter des jeweiligen Bischofs von Rom zu verstehen, denn sie haben eine ihnen eigene Gewalt inne" (S. 45). Daher bestehe "mittlerweile auch breite Übereinstimmung, dass Bischofsernennungen immer von zwei Seiten erfolgen sollten: unter Mitwirkung der Diözese und des Vatikans, nicht vom Vatikan allein" (S. 49). Paul VI., der in diesen Texten klar als Königs liebster Papst Gestalt gewinnt, habe ihm vor der Synode 1971 gesagt, er würde eine Abschaffung des Pflichtzölibats für Weltpriester der lateinischen Kirche akzeptieren, wenn die Bischöfe dies verlangten (S. 46).

Offen für Zölibatslockerung

Die Mehrheit tat es nicht. Aber König stößt nach und meint, man könnte sehr wohl auch darüber diskutieren, ob der Zölibat etwa nur für Europa oder Lateinamerika gelockert werden sollte, auch wenn das neue Probleme (geschiedene Priester!) schaffen würde. Immerhin war der Kardinal "überzeugt, dass der nächste Papst die Weihe von viri probati, das heißt von (in Ehe und Familie) bewährten Männern, ermöglichen wird" (S. 52).

Ebenso "wird es eine wichtige Aufgabe des nächsten Papstes sein, die Debatte über die Geburtenregelung im Interesse der Ehrlichkeit wieder zu eröffnen" (S. 56). Hier ist in der ansonsten sehr wortgetreuen Übersetzung die englische Formulierung Königs ("one of the foremost and most urgent tasks of the next Pope", S. 30) stark abgeschwächt worden. Das Pillenverbot, das der Wiener Erzbischof seinem sonst so bewunderten Papst Paul vergeblich hatte ausreden wollen, hinterließ eine "offene Wunde", die König gern geschlossen gesehen hätte.

In diesem Zusammenhang weist er den Vorwurf "ultrakonservativer Kirchenmänner entschieden zurück," die von ihm geleitete Bischofskonferenz habe mit der Maria Troster Erklärung zu Gunsten eines gebildeten Gewissens Verwirrung gestiftet. "Natürlich" habe er vorher mit Paul VI. und später auch mit Johannes Paul II. darüber gesprochen, und keiner habe Einspruch erhoben (S. 54)! Ungeklärt bleibt, warum diese Erklärung von 1968 dann doch wegen "Missdeutung einiger Stellen" 1998 entschärft werden musste. Aber Franz König bleibt dabei: "In letzter Instanz ist Geburtenkontrolle eine Sache des persönlichen, gebildeten Gewissens" (S. 55), und Gleiches gelte auch für die einer Scheidung folgenden Zweitehe, die "nicht zwangsläufig sündhaft ist" (S. 56).

Offen für Dezentralisierung

Nicht überraschend, aber sehr deutlich ist auch Königs Geständnis ausgefallen, er könne sich nicht vorstellen, "dass jemand heute tatsächlich das Papstamt anstrebt. Die Last der Verantwortung ist viel zu groß geworden für eine Person. Wir müssen zurückkehren zu einem dezentralisierten Führungsstil, wie er in früheren Jahrhunderten praktiziert wurde" (S. 56, 57).

Schon träumt man davon, dass auch ein heute lebender Bischof wieder einmal so sprechen und damit Frust und Resignation aus weiten Kirchenreihen verscheuchen könnte. Was sich König von The Tablet wünschte, könnte er auch zur Furche gesagt haben: "Versprechen Sie mir, kritisch-loyal zu bleiben ..." (S. 25)

OFFEN FÜR GOTT - OFFEN FÜR DIE WELT

Kirche im Dialog

Von Franz Kardinal König

Hg. von Christa-Pongratz-Lippitt

Verlag Herder, Freiburg 2006

176 Seiten, geb., e 17,40

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