6730109-1965_47_09.jpg
Digital In Arbeit

Glaubwürdigkeit der Ablässe

Werbung
Werbung
Werbung

Nach der Fastenordnung haben sich die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen in Rom mit der Frage des Ablaßwesens befaßt. Der Text, welcher den Bischofskonferenzen zur Begutachtung zugestellt worden war, ließ eine ökumenische Einstellung allerdings vermissen. Das geschah sicher nicht aus irgendwelcher Böswilligkeit der Kommission; die Ursache war lediglich Unkenntnis. Die Absicht der Kommission wird von allen Bischöfen, soweit sie sich bis jetzt geäußert haben, anerkannt. So sagte etwa Kardinal König, eine Neuordnung des Ablaßwesens sei wirklich erforderlich. Die bisherige Regelung bringe bei den einfachen Gläubigen die Gefahr des Aberglaubens mit sich; außerdem sei zu befürchten, daß sie die Religion für eine materielle Sache, wie einen Handel, ansehen und drittens, daß sie Heiligkeit menschlichem Tun zuschreiben. Die Gebildeten aber vernachlässigten einfach die Ablässe, da ihnen die geltende Praxis verdächtig und kaum glaubwürdig erscheine.

Eine rigorose Vereinfachung sei lobenswert, und ebenso sei es dringend notwendig, daß eine theologische Darlegung vorausgeschickt werde, denn die Zweifel über die Ablässe hätten ihren Grund weithin bei Priestern und Laien in theologischen Schwierigkeiten. Freilich, die vorliegenden Ausführungen seien größtenteils unannehmbar. Sie bedienen sich fast ausschließlich rechtlicher Ausdrücke. Die Ablässe aber lassen sich nicht allein in rechtliche Kategorien fassen. Ferner beachten die Darlegungen nicht die neuen theologischen Arbeiten über den Ablaß und legen sich auf Ansichten fest, die keineswegs allgemein angenommen sind.

Worum geht es? Die Vorlage ist der Ansicht, daß der Ablaß ein rein rechtlicher Akt der Kirche sei. Aus ihrem Gnadenschatz, der aus den Verdiensten Christi und der Heiligen besteht, gewährt die Kirche für gewisse Gebete oder Bußwerke die Nachlassung der zeitlichen Sündenstrafen. Diese Praxis und Theorie stammt aus dem frühen Mittelalter, 11. bis 13. Jahrhundert. Die frühe und die östliche Kirche kennen nur Fürbitten, nicht aber den Ablaß im eigentlichen Sinn. Bei den Ablässen für die Verstorbenen hat freilich immer gegolten, daß die Kirche, da es sich nicht um ihre Untertanen handelt, keinen eigentlich rechtlichen Akt zu setzen vermag. Hier geht es also auch eigentlich um eine Fürbitte.

Nach Ansicht neuerer Theologen jedoch ist es fraglich, ob die Kirche überhaupt ein festes Maß von Straferlaß festsetzen kann, denn es ist ja, wie Kardinal Döpfner ausführte, nicht so, daß einfach eine Strafe gewissermaßen „abgesessen werden müßte. Bei den Sündenstrafen vor Gott geht es um die nicht genügende Gottesliebe. Eine wirklich vollkommene Gottesliebe tilgt jegliche Sündenstrafen. Es lassen sich also Schuld und Strafe nicht vollkommen voneinander trennen; sie sind nicht dasselbe, aber sie hängen doch innig miteinander zusammen. Der Straferlaß setzt die vollkommenere Liebe voraus. Eben, weil der zeitliche Straferlaß so innig mit der Vermehrung der Liebe verknüpft ist, sagt Döpfner, und weil die Liebe nur aus der Übung äußerer Werke entsprechend der Geist-Leib-Natur des Menschen getätigt wird, eben deshalb verlangt die Kirche fromme Werke zur Erlangung der Ablässe. Deshalb werden Ablässe viel richtiger aufgefaßt als ein autoritatives Gebet der Kirche, der Braut Christi, um jene Hilfe Gottes, die man braucht, um die Liebe zu erlangen, welche die Strafe tilgt. So aufgefaßt, fällt die unpersönliche und exklusiv rechtliche, fast mechanische Auffassung vom Ablaß weg, die weder die geschichtliche Entwicklung des Ablasses noch die Grundhaltung der Kirchenkonstitution berücksichtigt.

Die Kardinäle König und Döpfner verlangen daher im Namen der deutschen und österreichischen Bischofskonferenzen, daß die gegenwärtige Vorlage nicht veröffentlicht werde, denn neben den genannten Schwierigkeiten wären schwere Beeinträchtigungen der neuen ökumenischen Beziehungen zu befürchten. Immerhin war das Ablaßwesen der unmittelbare Anlaß für die Spaltung der westlichen Kirche. Mit großer Behutsamkeit, sagt Döpfner, muß die Frage behandelt werden, damit nicht unsere getrennten Brüder von neuem abgestoßen werden, sondern in der Neuordnung eine uns durch Gottes Erbarmen gewährte Hilfe anerkennen können. Die Kommission muß daher erweitert werden. Es sollen vor allem Fachleute der Dogma-tik aus verschiedenen Schulen beigezogen werden.

Auf die konkreten Vorschläge der Vorlage muß ich nicht weiter eingehen. Sie werden in dieser Form sowieso nicht erscheinen. Wie auch immer, es lohnt sich festzuhalten, daß am Geburts- und Tauftag Mar-tin Luthers, am 11. November, die Kirche in ihren besten Vertretern sich unter dem lang anhaltenden Beifall der Bischöfe und der Beobachter katholisch und ökumenisch gezeigt hat. Katholisch, indem sie an der Gemeinschaft der Heiligen, der Vermittlungsmöglichkeit der Kirche festhielt, ökumenisch, indem sie sich daranmachte, energisch und tiefgreifend Unsauberkeiten, welche die anderen Christen berechtigterweise stören, zu beseitigen.

(Aus einem Konzilskommentar im österreichischen Rundfunk)

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung