prayer

Hölle und Hörigkeit: Spiritueller Missbrauch in der Kirche

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Neben sexuellem wird auch „spiritueller“ Missbrauch in der katholischen Kirche diskutiert, gerade an Frauen und in geistlichen Gemeinschaften. Ein neues Buch öffnet die Augen dafür.

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Neben sexuellem wird auch „spiritueller“ Missbrauch in der katholischen Kirche diskutiert, gerade an Frauen und in geistlichen Gemeinschaften. Ein neues Buch öffnet die Augen dafür.

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Den Anfang machte seinerzeit Doris Wagner (verheiratete Reisinger) mit ihrem bewegenden Erfahrungsbericht „Nicht mehr ich“. Auf die autobiografische Veröffentlichung von 2014 über ihre Jahre in einer geistlichen Gemeinschaft folgte das Sachbuch „Spiritueller Missbrauch in der katholischen Kirche“ (FURCHE 5/2019). Dieser prophetische Weckruf brachte einen Stein ins Rollen. Und dann: ihr Gespräch im Bayerischen Fernsehen mit Kardinal Christoph Schönborn („Ich glaube Ihnen“), das später in voller Länge publiziert wurde unter dem Titel „Schuld und Verantwortung“ (FURCHE 44/2019). Inzwischen ist spiritueller Missbrauch ein feststehender Topos in der Literatur geworden.

Spirituellen Missbrauch erleben nicht nur Ordensfrauen, sondern Frauen in der katholischen Kirche überhaupt, wie ein brisantes Buch zeigt. Es präsentiert, nach dem Geleitwort von Joan Chittister OSB, dem Vorwort der vier Herausgeberinnen und einer Hinführung der beiden Herausgeberinnen Ute Leimgruber und Barbara Haslbeck, die an der Universität Regensburg das Forschungsprojekt „Sexueller Missbrauch an Ordensfrauen“ und den Forschungsschwerpunkt „Missbrauchsmuster. Gewalt gegen erwachsene Frauen in der Kirche“ betreiben, 19 erschütternde Betroffenenberichte: neun unter dem Label „Spirituelle Gewalt“, zehn unter dem Titel „Spiritualisierte Gewaltausübung“. Die Autorinnen haben Pseudonyme gewählt, Namen, Orte und Gemeinschaften sind anonymisiert. Auch das ist eine Aussage über die Brisanz der Thematik.

Der Buchtitel fasst zusammen, wozu spiritueller Missbrauch führen kann: zu „Selbstverlust und Gottentfremdung“. Die Einbuße der spirituellen Autonomie oder deren Verletzung führt nicht nur zur Entfremdung von Gott, sondern auch von sich selbst und schlägt sich als Ausschlag der Seele oft pathologisch oder somatisch nieder: Erschöpfung, Schlafstörungen, Panikattacken, Autoaggression, Weinkrämpfe, Tinnitus, Burnout mit Suizidgedanken. Auf die Differenzierung von Wagner aufbauend (Vernachlässigung, Manipulation, Gewalt), machen Leimgruber und Haslbeck zwölf Merkmale und Muster aus, die sich in vielen der hier wiedergegebenen Berichte finden, die auch Parallelen aufweisen.

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